Nazi-Aufmarsch in Dresden: Gezerre um Blockaden
Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz weigert sich, den Blockierern zu danken. Der Politologie-Professor Eckhard Jesse kritisiert die Blockaden, aber auch Helma Orosz.
Nach den Protesten vom vergangenen Wochenende in Dresden streiten die Akteure weiter um die Deutungshoheit über die Leistungen bei der Verhinderung des Nazi-Aufmarschs. Im Netz kommt vor allem die Position der Blockierer vor: Da wird sich über die Menschenkette lustig gemacht und davon gesprochen, dass man allein mit ihr den Nazi-Aufmarsch niemals verhindert hätte.
Der Tweet "Hätte ich gäwosst, dass man mit Händchenhalten marschierände Hordän aofhalten kann, hätte ich das för die Verteidigong Bärlins bäfohlen!" des Satire-Twitter-Accounts @derFuehrer war im Netz sehr beliebt, er wurde hundertfach "retweetet". Unzufrieden waren viele Twitterer auch mit der Berichterstattung durch die öffentlich-rechtlichen Medien, insbesondere des MDR.
Kern des Konflikts ist die Beurteilung der Aktivitäten auf der Neustädter Seite Dresdens. Ist es richtig, eine genehmigte Demonstration mit Blockaden zu verhindern? Ist die Sachlage eine besondere, wenn es darum geht, eine Nazi-Demo zu blockieren? Während das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass eine friedliche Blockade keine Straftat ("Nötigung") darstellt, bleibt doch gleichzeitig die Frage nach der moralischen Einordnung von Blockaden.
Das Bündnis "Dresden Nazifrei", das die Blockaden mit organisiert hat, zieht ein positives Fazit. Wenig überraschend: Für das Bündnis ist die Verhinderung des Naziaufmarschs "ein großer Erfolg". Im Aktionskonsens grenzt man sich aber durchaus von brennenden Barrikaden ab: "Unsere Massenblockaden sind Menschenblockaden".
Auch die gefallen dem Politik-Professor Eckard Jesse von der TU Chemnitz nicht. Jesse hat jetzt in einem dpa-Gespräch die Verhinderung des Nazi-Aufmarsch durch Blockaden als "Niederlage für den Rechtsstaat" bezeichnet. Auf taz-Nachfrage bekräftigt Jesse seine Position noch einmal: "In einem Rechtsstaat entscheiden die Gerichte und nicht die Gegendemonstranten, ob, wann und wo demonstriert wird."
Jesse wundert sich aber auch über die Darstellung in den Medien und durch die Dresdner Bürgermeisterin Helma Orosz. "Es ist eine Legende, dass die Menschenkette die Demonstration verhindert hat", sagt Jesse, lobt die Menschenkette gleichzeitig als "positiv", voller Stille und Würde und merkt mehrfach an, dass er sich wundere, dass die Dresdner Bürgermeisterin die Blockaden überhaupt nicht nennt. "Hat sie keine Meinung dazu?" fragt Jesse, um dann nachzuschieben: "Eine Stellungnahme ist nötig!"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil