: Naturschutz wird aufgegeben
■ Bauplaner regeln Naturschutz künftig selbst. Landwirte kassieren für Auflagenerfüllung. Golf nun naturgemäß
Berlin (taz) – Naturschutz wird künftig in vielen Bereichen nicht mehr Sache des Umweltministeriums sein. Der Entwurf des neuen Bundesnaturschutzgesetzes legt ihn vielmehr in die Hände anderer Ressorts und Interessensverbände. Dort wird er zerbröseln, fürchtet Jochen Flasbarth, der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland. Die Neuregelungen zum Naturschutz in der Bau- und Landwirtschaft sowie im Freizeitbereich dienen nach der Auffassung des Nabu nur denen, die ihn verletzen.
Der Regierungsentwurf passierte Anfang der Woche den Umweltausschuß des Bundestages. Die vernichtende Kritik des Nabu folgte prompt. Jochen Flasbarth moniert vor allem den Rückzug des Umweltministeriums aus dem Naturschutz am Bau. „Die Aufweichung des Naturschutzgesetzes paßt dabei trefflich zu den neuen Naturschutzformulierungen des Baugesetzbuches“, erläutert Claus Mayr, der Naturschutzreferent des Nabu. Dieses Gesetzeswerk erhielt gestern den Segen des Bundestages. Zwar wird es auch im neuen Naturschutzgesetz noch heißen, daß Eingriffe durch Bautätigkeit in die Natur vermieden werden sollen. Wenn das nicht möglich ist, müsse die Baubehörde an anderer Stelle ein Rückzugsgebiet für Pflanzen und Tiere schaffen. In dem sogenannten „Baurechtskompromiß“ erwirkte Klaus Töpfer in seinen Zeiten als Umweltminister einen entsprechenden Passus im Baugesetzbuch. Nun ist er als Bauminister um die wirtschaftliche Lage in der Baubranche besorgt und kippt folgerichtig den Naturschutz aus dem Gesetz.
„Nur wenn die Baubehörde es für nötig hält, sorgt sie für Ausgleich des Raubbaus“, sagt Claus Mayr. „Eine Vermeidungsregelung wird es gar nicht mehr geben.“ Auch die Landwirtschaftslobbyisten der Koalition haben den Naturschützern Zugeständnisse abgetrotzt. Das geplante Gesetz sieht Entschädigungen für Landwirte vor, denen Kosten für Umweltschutzmaßnahmen entstehen. Auch wenn sie damit lediglich gängige Naturschutzauflagen erfüllen. Eine Verletzung des Verursacherprinzips, die keiner anderen Branche zugestanden wird, urteilt Jochen Flasbarth.
Da die Bundesregierung zudem Aufwendungen für Naturschutzmaßnahmen seit 1990 aufwiegen will, seien vor allem die neuen Länder benachteiligt. Zudem findet sich auch noch kein Passus im neuen Gesetz, der Landwirtschaft als Eingriff in die Natur darstellt. Wodurch sie den Naturschutz beeinträchtigt, bestimmt künftig der Landwirtschaftsminister. Der aber wird, so Flasbarth, mit Pestizidverbot und Flächenstillegung nicht die Ernte seiner Klientel schmälern.
Als Hohn bezeichnet er eine Neudefinition von Naturschutzverbänden: Wird das Gesetz wie vorgelegt verabschiedet, dürfen in Zukunft auch Golfer, Kletterer und Drachenflieger dieses Label tragen. So schmuggeln sich Sportler, die auf dem Rücken der Natur rumturnen, in die Beiräte der Naturschützer. Peter Hergersberg
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