Wenn Naturschützer zu Feinden werden

Der Prozess findet auf einer Straßenkreuzung statt. Die Angeklagten sind der Zerstörung von Flora und Fauna im kongolesischen Nationalpark Kahuzi-Biega angeklagt. Eine Geschichte darüber, wie Naturschutz mit brachialen Methoden und deutscher Hilfe Menschen ins Elend stürzt

Auf dem Weg ins Gefängnis: Angehörige der ­Gemeinschaft der Pygmäen nach ihrer Verurteilung. Sie sollen bewaffnet gegen Naturschützer vorgegangen sein Foto: Alexis Huguet

Aus Muyange und Bukavu Simone Schlindwein

Es ist kurz nach Mitternacht, als eine Kugel das Vorhängeschloss an der Holztür sprengt. Dutzende Soldaten und Wildhüter stürmen mit vorgehaltener Waffe die armselige Lehmhütte von Jean Marie Kasula. Sie zerren den Chef des Pygmäendorfes aus seinem Bett und legen ihm Handschellen an, ebenso seiner Frau. Barfuß werden Kasula und dessen Frau gemeinsam mit vier weiteren Dorfbewohnern abgeführt, erzählt seine Schwägerin Jaqueline Zimire, und fügt hinzu: „Sie haben uns noch die letzten Habseligkeiten geklaut.“

Das Pygmäendorf Muyange liegt malerisch an einem dichtbewaldeten Berghang am Rande des Nationalparks Kahuzi-Biega im Osten der Demokratischen Republik Kongo: rund ein Dutzend Lehmhütten, eingeklemmt zwischen Maisfeldern und Regenwald. Dazwischen spielen unterernährte Kinder im Schmutz. Kongos Pygmäen, auch Twa genannt, Nachfahren der ursprünglichen Regenwaldbewohner, sind eine benachteiligte Minderheit. Zu Kolonialzeiten galten sie nicht als vollwertige Menschen. Bis heute besitzen sie kein Land, verdingen sich auf den Feldern der Bauern anderer Ethnien für knapp einen Dollar pro Tag. Sie sind die ärmste Bevölkerungsgruppe im Bürgerkriegsland.

Jetzt werden sie schlimmster Verbrechen bezichtigt.

Knapp eine Woche nach Kasulas Verhaftung beginnt unweit von Muyange unterhalb des Parkeingangs der Prozess. Soldaten stellen Tische und Stühle auf eine Straßenkreuzung. Dahinter prangt ein Werbeplakat mit einem Gorilla und der Aufschrift „Willkommen im Kahuzi Biega“.

Ein Gerichtshelfer in Uniform breitet Kongos himmelblaue Flagge als Tischtuch auf der Richterbank aus. Darauf postiert er ein rostiges AK-47-Maschinengewehr mit der Registriernummer 9664 – das zentrale Beweisstück.

Militärstaatsanwalt Julien Luemba brüllt seine Anklagepunkte in ein Mikrofon: Bildung einer bewaffneten Gruppe, illegaler Waffenbesitz, Zerstörung von Flora und Fauna. Die Parkverwaltung hat zusätzlich fünf zivile Anwälte als Kläger geschickt. Sie argumentieren: „Der Klimawandel ist eine weltweite Bedrohung – doch während die einen bereit sind, für den Schutz der Natur zu sterben, bedroht Kasula das Ökosystem.“

Die Anklage präsentiert Opfer. Parkwächter Assani Bongabonga zeigt dem Richter seine verwundete Hand: ein glatter Durchschuss. „Es war am 17. Juli 2019 als wir morgens um neun Uhr auf Patrouille durch Muyange kamen, nur 15 Meter vom Park entfernt“, stottert er mit zittriger Stimme: „Wir trafen auf Leute, die Holzkohle machen, und wollten sie verhaften. Da traf mich eine Kugel in die Hand.“ Der Richter fragt den Wildhüter ob er den Schützen erkannt habe. Da zeigt Bongabonga auf Kasula.

Die acht angeklagten Pygmäen stehen hinter einer erhöhten Holzbank in der prallen Sonne, zerlumpt, verwahrlost, geschwächt nach einer Woche Gefängnis. Schweiß tropft ihnen von der Stirn. Einer von ihnen zittert so sehr, dass er sich setzen muss. Chef Kasula schaut verständnislos, der Dolmetscher neben ihm übersetzt nur das Nötigste. Sein Pflichtverteidiger Serge Bufole wurde erst eine Stunde vor Prozessbeginn aus dem Bett geklingelt, er wirkt hilflos.

Der Nationalpark Kahuzi-Biega wurde 1970 im Osten des damaligen Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, gegründet. Er wurde 1976 auf 6.000 Quadratkilometer erweitert. Das führte zur Vertreibung von rund 13.000 Menschen, darunter etwa 6.000 Pygmäen. Bekannt ist der Kahuzi-Biega als weltweit letztes Reservat der Östlichen Flachlandgorillas, auch Grauergorillas genannt. 1980 hat die UNESCO den Park zum Weltkulturerbe erklärt. Laut der letzten Zählung von 2011 leben nur noch 181 Gorillas im Park.

Deutsche Hilfe Die Bundesregierung ist seit 1986 wichtigster Geldgeber des Parks. Über die Kreditanstalt für Wiederaufbau wird der Großteil der Gehälter der 225 Wildhüter bezahlt. Zur Unterstützung des Naturschutz im Kongo wurde 2013 der Okapi-Fonds gegründet, um durch Investitionen am internationalen Kapitalmarkt Renditen für Kongos staatliche Naturschutzbehörde ICCN zu erwirtschaften.

Der Fonds Der in London als gemeinnützig registrierte Okapi-Fonds nahm im Februar 2020 seine Arbeit auf. Den finanziellen Grundstock des Fonds stellen Deutschland mit 15 Millionen Euro und die Weltbank mit 7,4 Millionen US-Dollar. Der Fond arbeitet mit der Finanzberatungsfirma Smith & Williamson zusammen. Sie geriet im Zuge der Enthüllungen der sogenannten Panama-Papers ins Visier von Steuerermittlern. (taz)

Einen Kilometer von der Straßenkreuzung, an der das Militärgericht tagt, schlagen morgens um acht Uhr die Parkwächter von Kahuzi-Biega die Hacken zusammen. Es ist noch diesig am Rande des Regenwaldes, als rund einhundert Männer in grünen Uniformen, Gummistiefeln und Kalaschnikow-Sturmgewehren vor Parkchef De-Dieu Balongelwa salutieren. Jenseits der Hauptgebäude erhebt sich majestätisch der dichte Regenwald. Auf einem Schild steht: Die Parkstation wurde mit deutschen Entwicklungsgeldern errichtet.

„Wie steht es um eure Moral?“, fragt Balongelwa seine Wildhüter. „Gut, Sir!“, brüllen die Ranger. Seit 1986 zahlt die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) den über 200 Rangern von Kahuzi-Biega einen monatlichen Bonus von 80 US-Dollar auf ihr mickriges Staatsgehalt von 20 Dollar im Monat. Doch dieses Geld sei seit fünf Monaten nicht gekommen, klagt der Parkchef. „Wir sind in Gesprächen mit der KfW und hoffen, dass ihr bald Geld auf eurem Konto habt“, versichert er seiner Truppe und lässt abtreten. Die KfW gibt auf taz-Anfrage an, sie könne „aus vertragsrechtlichen Gründen“ zu Zahlungen „keine Auskünfte“ geben.

Seit seiner Ernennung zum Parkdirektor 2018 kämpft sich Balongelwa durch eine lange Liste an Problemen. Der Park steckt voller bewaffneter Gruppen. Seit September 2019 gebe es aber kein Geld – also keine Gehälter-Boni, kein Benzin für Patrouillen, keine Lebensmittel für die Ranger. Doch viel schlimmer findet der Direktor: „Das erste Mal in 50 Jahren ist der Park durch Rodung gefährdet.“

Täglich konfiszieren seine Wildhüter Lastwagen voller Holzkohle, die aus dem Park heraus in die Provinzhauptstadt Bukavu am Fuße der Berge hinunterfahren. In der Millionenstadt gibt es kaum Strom, fast alle Haushalte kochen mit Holzkohle – ein Millionengeschäft. Pygmäenchef Kasula sei für die Zerstörung von über 400 Hektar Wald verantwortlich, so Balongelwa. Dabei habe die Parkverwaltung mit den Pygmäen ein gutes Verhältnis: 36 Pygmäenmänner seien angestellt. Doch bei Versuchen, Kasulas Bande zu verhaften, seien ein Wildhüter getötet und fünf verletzt worden, zwei Waffen wurden entwendet. Daher wurde das Militär eingeschaltet. Er lobt die Militärjustiz: „Ich begrüße das Urteil, alle müssen gleichermaßen die Gesetze respektieren.“

Bereitwillig gibt der Parkchef zu: Viele lokale Probleme seien ihm ein Rätsel. „Kasula hat mit der Holzkohle kein Geld gemacht. Es gibt andere, die sich in Bukavu davon große Häuser gebaut haben.“ Wer? Da schweigt er. Nur soviel: Lokale Organisationen würden die Pygmäen manipulieren.

Eine dieser Gruppen ist die Pygmäen-Schutzorganisation CAMV (Begleitzentrum für Pygmäen und verletzliche Minderheiten). Am Tag vor den Prozess gegen Kasula sitzt CAMV-Direktor Pacifique Mukamba in Bukavu in seinem Büro und zeigt auf eine WhatsApp-Nachricht auf seinem Handy. Darin beschuldigt Parkchef Balongelwa die Organisationen, Pygmäen angestachelt zu haben, den Park zu zerstören. Mukamba ist empört: „Dass sich die Pygmäen 2018 im Park angesiedelt haben, habe ich damals aus dem Radio erfahren. Wir werden jetzt bedroht und mundtot gemacht.“ Sieben Pygmäen seien seit 2017 von Parkwächtern getötet worden – ein Wildhüter sei gestorben. „Es ist das erste Mal, seit der Park existiert, dass es Tote gibt – da fragt man sich doch: Was ist hier los?“, sagt er. „Wir verlangen von der Regierung, den indigenen Völkern ein Mitspracherecht im Naturschutz einzuräumen.“

Laut kongolesischem Naturschutzgesetz dürfen keine Menschen in Nationalparks siedeln. Das soll die Gorillas schützen. Doch für die Pygmäen sind die Wälder ihre Heimat. Pygmäen-Organisationen wie CAMV reichten Klage gegen Kongos Regierung ein. Sie erwirkten Zugeständnisse: Landrechte außerhalb des Parks, Schulbildung, Gesundheitsversorgung, Beteiligung an den Gewinnen aus dem Tourismus. Doch Geld dafür hat die Regierung nicht und Land ist im dichtbesiedelten Ostkongo knapp. 2018 bekamen die Pygmäen zwei Hektar am Parkrand zugewiesen. Doch die elf Familien, die sich dort niederließen, wurden wieder vertrieben. Sie zogen in den Park. Seitdem kocht der Streit hoch.

Während Kasula vor dem Militärgericht steht, versteckt sich sein jüngerer Bruder im Unterholz. Gentil Mulimbis Gummistiefel sind lehmverschmiert, als er aus dem Park stapft. „Sie werden uns jagen bis wir alle tot sind“, sagt er und versucht, die Lage aus seiner Sicht zu erklären – der einer verfolgten Minderheit.

„Wir trafen auf Leute, die Holzkohle machen, und wollten sie verhaften. Da traf mich eine Kugel in die Hand“

Assani Bongabonga, Parkwächter und Zeuge der Anklage

„Wir sind 2018 in den Park eingedrungen, weil wir keine andere Wahl hatten“, seufzt er und setzt sich in einer strohbedeckten Hütte auf den Boden, um nicht gesehen zu werden: „Der Park hat uns Land versprochen, aber bis heute haben wir nichts zu essen, weil sie ihre Zusagen nicht einhalten.“ Nervös sucht er die umliegenden Hügel nach Soldaten und Wildhütern ab. Dem 36-Jährigen ist Wut und Verzweiflung anzusehen. Er fühlt sich betrogen – von der Parkverwaltung und von seinen eigenen Leuten.

Denn auch bei den Pygmäen gebe es seit Langem Zwist, erklärt Gentil Mulimbi. Die Parkbehörde gab seinem Bruder Kasula einen Mikrokredit für ein Büro, er durfte sogar Fährtenleser aussuchen. Ein anderer Pygmäenführer namens Cizungu Ntavuna machte Kasula seinen Posten streitig. Als Kasula Forderungen der Parkverwaltung, den Park zu verlassen, zurückgewiesen habe, sah Ntavuna seine Chance, so Mulimbi: „Ntavuna wurde bestochen und hat uns ausgeliefert“, sagt er. Ntavunas Pygmäen hätten die Soldaten und Wildhüter nach Muyange geführt, um Kasula zu verhaften.

Er selbst sei in jener Nacht geflohen und verstecke sich seitdem im Park. Dass er dort Bäume zu Holzkohle abfackle, gibt er offen zu: „Wir brauchen Geld zum Überleben. Die Frauen der Soldaten kaufen uns die Holzkohle ab und bezahlen uns mit Munition, weil sie auch kein Geld haben.“ Deswegen seien rund 70 Patronen bei Kasula gefunden worden, die jetzt im Prozess als Beweisstücke dienen.

„Es ist unser Recht, den Park zu zerstören, solange sie uns nicht geben, was sie uns versprochen haben“, zischt Mulimbi wütend und greift nach seinem klingelnden Handy. Per Telefon erfährt er von der Verurteilung seines Bruders und spurtet sofort los. Er müsse sich wieder verstecken, sagt er. Er will noch eine Botschaft loswerden: „Sag den Deutschen, ich will auch jeden Monat Geld auf einem Bankkonto, sonst werden wir uns alle rächen.“

Kasulas Rivale Cizungu Ntavuna lungert derweil in der Zuschauermenge vor dem Militärgericht herum. Er sieht aus wie frisch aus dem Ei gepellt: neue Turnschuhe, neue Jacke. Die anderen Pygmäen nennen ihn jetzt „Chef“.

Die Parkbehörde habe ihn als offiziellen Chef der Pygmäen anerkannt, gibt Ntavuna zu. „Kasula hat mir vorgeworfen, der Park hätte mich bestochen, doch das ist nicht wahr“, raunzt er. „Mein Job ist nun, die anderen zu sensibilisieren, den Park zu verlassen.“ Alle hätten die Vorgaben der Parkbehörde anerkannt – bis auf Kasulas Leute. Deswegen habe er geholfen, Kasula dingfest zu machen. Dass er dafür belohnt wurde, gibt Ntavuna offen zu: Der Park habe bereits acht junge Pygmäen aus seinem Dorf als Wildhüter rekrutiert.

Naturschutz muss wehrhaft werden Dieses Paradigma, geboren aus dem Kampf gegen Wilderei und illegalen Handel mit Tieren, hat besonders auf dem afrikanischen Kontinent dramatische Folgen. Immer wieder gibt es Zusammenstöße zwischen lokaler Bevölkerung und schwer be­waffneten Rangern. Menschenrechtsgruppen sprechen von systematischen Repressionen. Naturschützer und Geldgeber, darunter deutsche Behörden, tun die Exzesse als bedauerliche Einzelfälle ab.

Dieses taz-Rechercheprojekt will das Bild über die Militarisierung des Naturschutzes vervollständigen – über Vorortrecherchen und die Untersuchung der Geldflüsse im internationalen Artenschutz.

Gefördert vom Netzwerk Recherche, der Olin GmbH und mit dem Kartographen-Stipendium des Vereins „Fleiß und Mut“.

Mehr Informationen unter taz.de/GrüneArmee

Aus Sicht der Parkbehörde von Kahuzi-Biega gibt es mit den aufsässigen Pygmäen um Kasula keinen Kompromiss. Scharfmacher haben das Sagen. Der Vize von Parkchef Balongelwa ist einer der berühmtesten Umweltschützer des Landes: Innocent Mburanumwe, der im Juli 2019 vom Virunga-Nationalpark in der benachbarten Provinz Nord-Kivu hierher versetzt wurde, nachdem taz-Recherchen seine mutmaßlichen Verstrickungen in den Holzkohlehandel sowie sein brutales Vorgehen gegenüber der Bevölkerung aufgedeckt hatten. Er saß kurz in Haft unter Anklage, bis er auf undurchsichtige Wege frei kam. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau erklärt auf Anfrage, das Gericht habe Mburanumwe „für unschuldig befunden“ und für ICCN bestehe daher „keine Handhabe, die damals verhängte Suspendierung von Herrn Mburanumwe aufrechtzuerhalten“.

Der kräftige Mann trägt heute noch die Uniform mit dem Logo des Virunga-Nationalparks. In seinem Gürtel steckt eine Pistole. In einem Kon­trollzentrum der Parkbehörde steht er vor einem Flachbildmonitor und führt aus den USA gespendete Satellitentechnologie vor. „Wir können damit die Patrouillen in Echtzeit verfolgen und sie können uns alarmieren, wenn es Probleme gibt“, erklärt er und deutet auf eine Landkarte neben dem Monitor. Darauf sind Sektoren eingezeichnet, mit dem Namen von Milizen. „Die Präsenz der bewaffneten Gruppen im Park zwingt uns dazu, mit der Armee zusammenzuarbeiten“, sagt Mburanumwe. Er habe ein sehr enges Verhältnis mit der Armeeführung vor Ort. Seine Wildhüter und die Soldaten operieren gemeinsam gegen Milizen. Auch gegen Pygmäen? Der Vize-Parkchef nickt. „Sie haben sich mit anderen Milizen eingelassen, um uns zu bekämpfen“, sagt er.

Mburanumwe steigt in seine regendichte Schutzkleidung und macht sich auf in den Park. Nur wenige Kilometer jenseits der Station lichtet sich der Dschungel. Statt alter Bäume wachsen nur noch Büsche auf dem verkohlten Untergrund: „Den ganzen Wald hier haben die Pygmäen abgebrannt“, schimpft Mburanumwe. „Sie haben viel Geld mit der Holzkohle gemacht.“

Hinter ihm weicht ein schwer bewaffneter Wildhüter nicht von seiner Seite. Die Ranger sind jüngst von israelischen Ex-Militärs der Sicherheitsfirma Maisha im Antiterrorkampf trainiert worden. „Wir sind jetzt kampfbereit, um es mit den Terroristen aufzunehmen“, sagt Mburanumwe und sucht mit dem Fernglas die Hänge ab. „Wenn wir Drohnen, Kameras und Nachtsichtgeräte hätten, könnten wir die Gorillas besser schützen und jedes Holzkohlefeuer schon von Weitem aufspüren“, sagt der Vize-Parkchef. „Wir hoffen, die Deutschen werden uns das spendieren.“ Mburanumwes Partner ist einer der mächtigsten und berüchtigsten Generäle des Kongo: Charles Mundindo Akili, bekannt unter seinem Kriegsnamen „Mundos“. Er ist ein enger Vertrauter des früheren kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila. Immer wenn es bewaffnete Gruppen zu bekämpfen gab, wurde Mundos auf Spezialoperationen losgeschickt. Doch UN-Ermittler sagen über Mundos: Wo immer er hinkomme, verwischen sich die Fronten, die Zahl der bewaffneten Gruppen multipliziere sich und niemand wisse mehr, wer genau im Dschungel was treibe. Seit 2018 steht der General auf der UN-Sanktionsliste. Jetzt jagt er in Kahuzi-Biega Pygmäen.

Der kräftige Mann in Uniform mit zwei goldenen Sternen auf der Schulterklappe sitzt in seinem geräumigen Büro im regionalen Armeehauptquartier in Bukavu hinter einem massiven Teakholzschreibtisch. „Ich bin einer der größten Tierschützer im Kongo“, prahlt der Generalmajor stolz und sinniert über frühere Großtaten. Er sei froh, sich jetzt auch im Kahuzi-Biega für den Naturschutz engagieren zu können, sagt er und zeigt seinen Jahreskalender auf dem Schreibtisch: ein Gruppenfoto mit dem Parkchef und den Wildhütern, Mundos in der Mitte mit der silbernen Ehrenmedaille des Parks um den Hals.

„Der Park hat uns Land versprochen, aber bis heute haben wir nichts zu essen, weil sie ihre Zusagen nicht einhalten“

Gentil Mulimbi, Bruder eines Angeklagten

Die Ranger von Kahuzi-Biega, mit deutschen Steuergeldern bezahlt, nennt der General „seine Kinder“. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau erklärt dazu: „Für aus Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit finanzierte Ausrüstung zugunsten der Parkverwaltung besteht ein klares Verwendungsverbot für militärische Zwecke.“

Mundos lobt die Zusammenarbeit zwischen Armee und Wildhütern im Kampf gegen „Terroristen“. Sein Ziel: In drei Jahren werde dank seiner Militäroperationen Friede einkehren, „für die Touristen, die den Park besuchen“. Und die Pygmäen um Kasula? „Der ist die Nummer eins von allen Terroristen landesweit!“ Mit den Organisationen, die die Pygmäen „manipulieren“, werde er ebenfalls fertig: „Ich habe sie selbst angerufen und gesagt, ich schicke Kasula ins Gefängnis bis ans Ende der Welt!“

Nur wenige Stunden nach Beginn des Verfahrens gegen die Pygmäen auf der Straßenkreuzung unterhalb des Parkeingangs fällt die Entscheidung. Das Militärgericht verurteilt Kasula und seine sieben Gefährten zu je 15 Jahren Haft sowie eine Million kongolesische Franc Geldstrafe, ein Vermögen für diese bitterarmen Menschen. Es war ein Schauprozess, eine Warnung an die ­Bevölkerung, gibt der Militärstaatsawanalt später zu.

Wie Vieh werden die Verurteilten mit Kabelbinder aneinandergekettet und abgeführt. Die Frauen der verurteilten Männer, die aus den Dörfern angelaufen sind, schluchzen und kreischen. Sie tragen Kleinkinder im Tragetuch und stecken ihren Männern ein paar Bananen und Geldscheine zu. Es sind verzweifelte Momente. Da lädt ein Soldat seine Kalaschnikow durch und zielt warnend auf die aufgewühlte Menschentraube. Alle werden still.