Naturschützer klagen gegen wildes Bauen: Allzu findige Planer
Hamburgs Botanischer Verein hat die Nase voll davon, dass der Naturschutz durch Bauarbeiten ohne geltendes Planrecht ausgehebelt wird. Jetzt klagt er.
Konkret geht es um die Verlegung eines Grabens, die zwar wasserrechtlich begründet wurde, nach Auffassung des Botanischen Vereins aber nur dazu diente, ein Baugrundstück zu vergrößern. „Diese Grabenverlegung diente der systematischen Aushebelung des Naturschutzes für ein Neubauprojekt“, kritisiert der Verein.
Über das Gewerbegebiet hat die taz schon vor Jahren berichtet. Es liegt in der südöstlichen Kehle des Autobahndreiecks Hamburg Süd. Schon bei seiner Errichtung gab es dafür keinen gültigen Bebauungsplan, bei der Erweiterung vor vier Jahren auch nicht und heute immer noch nicht. Zurzeit sind es die Pläne für eine Verbreiterung der Autobahn A1, die die Bauleitplanung bremsen, wie das Bezirksamt Mitte mitteilte.
Der in Rede stehende Bebauungsplan Wilhelmsburg 86 wurde 2009 zwar beschlossen, konnte aber nicht in Kraft gesetzt werden, weil der nötige Naturausgleich falsch berechnet worden war. Die Erweiterung des Gewerbegebiets 2016 wurde mit dem Hinweis genehmigt, die neuen Hallen fügten sich in die vorhandene Bebauung ein.
Auch die jüngste Erweiterung sei ohne gültige Rechtsgrundlage geschehen, kritisiert der Botanische Verein. De facto sei der Graben ja nur verlegt worden, um das Baugrundstück zu vergrößern, ergo hätte dafür der Bebauungsplan geändert werden müssen. „Eine inhaltliche Begründung, warum das nach Wasserrecht verlegt werden muss, gab es nie“, sagt Gisela Bertram vom Botanischen Verein.
Während also das Areal im Autobahnknie fast ungehindert weiter bebaut werde, seien die formalen Grundlagen dafür nie beschlossen worden. Zudem sei der Verlust an Natur nur zum Teil ausgeglichen worden. Vorgezogene Artenschutzprojekte, etwas für den Kiebitz, den Vogel des Jahres 2019, hätten keinen Erfolg gehabt.
Mit seiner Klage gegen die wasserrechtliche Genehmigung wolle der Verein „Druck auf die Verwaltung aufbauen“, sagt Bertram. „Wenn keiner dieses Vorgehen jemals rügt, schleift es sich ein“, sagt sie.
Ihr Verein setzt sich dafür ein, bei Bebauungsplanverfahren stets die vorgesehene Reihenfolge einzuhalten: Erst die Planung, einschließlich der Minderungs- und Ausgleichsplanung für die Natur, dann Stellungnahmen etwa der Naturschutzverbände, dann der Beschluss und die Umsetzung. Es dürfe keine Planungen geben, „die zu einer scheibchenweisen Unterwanderung dieser vorgesehenen Reihenfolge führen“.
Laufe das anders, gingen die Stellungnahmen der Naturschutzverbände ins Leere. „Dann werden wichtige Beteiligungen unterlaufen“, warnt Hans-Helmut Poppendieck, der Vorsitzende des Botanischen Vereins. „Und das zum Schaden der Natur und damit zum Schaden für ganz Hamburg.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen