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Naturgewalt auf Brettern

Der Langläufer Johann Mühlegg gewinnt Spaniens erste Medaille bei einer nordischen Ski-Weltmeisterschaft und will auch nächstes Jahr bei den Olympischen Spielen Iberiens Ruhm mehren

von MATTI LIESKE

Eine „Naturgewalt“ ist nach Meinung der Zeitung El País über Spanien hereingebrochen. Ihr Name ist Johann Mühlegg. Der wuchtige Ski-Langläufer aus Grainau wurde am Samstag zunächst Dritter im Verfolgungsrennen bei der nordischen Ski-Weltmeisterschaft im finnischen Langlaufparadies Lahti. Die Bronzemedaille verwandelte sich gestern jedoch in eine silberne, weil der hinter Sieger Per Elofsson (Schweden) zweitplatzierte Jari Isometsä des Dopings überführt und mit sofortiger Wirkung gesperrt wurde. Nach seinem vierten Platz im 15-km-Rennen am Donnerstag hatte die Urinprobe des Finnen den Blutplasmaexpander HES enthalten. Die Silbermedaille wurde Isometsä aberkannt und an Mühlegg weitergereicht.

Der ließ keinen Zweifel daran, für wen er seine Medaille gewonnen hatte. „Ich habe zwei Pässe, einen deutschen und einen spanischen“, sagte der 30-Jährige, „aber diese Medaille gehört Spanien.“ Es ist die erste überhaupt, die das Land bei einer nordischen Ski-WM gewonnen hat. „In Skandinavien und nach meiner Grippe kommt mir diese Medaille vor wie Gold“, freute sich Mühlegg, der vor der WM neun Tage krank im Bett gelegen hatte, doch nach seinem siebten Rang im klassischen 10-km-Rennen bei den anschließenden 10 Kilometern im freien Stil wieder gewohnt kraftvoll die Strecke entlang stürmte. „Es sieht aus, als würde er sich mit dem Schnee prügeln“, schrieb El País über den Weltcupsieger des vergangenen Winters und meinte, wenn jemand vor einem Jahr gesagt hätte, Spanien werde eine WM-Medaille gewinnen, hätte man ihn für einen „Lügenbold ohne Verstand“ gehalten.

Mühlegg hatte seine im schneeigen Metier wenig bewanderten Neulandsleuten allerdings schon vorher belehrt, dass das, was er im Vorjahr geschafft hatte, höher zu bewerten sei als ein WM-Erfolg oder ähnliches. „Olympiasieger wird man an einem Tag, du hast eben Glück oder nicht“, sagte er, „das ist viel leichter, als den Gesamt-Weltcup zu gewinnen.“

Mühleggs WM-Medaille war die erste, die ein deutscher Läufer seit 1974 holte, doch an eine Rückkehr zum Deutschen Ski-Verband (DSV) denkt er zumindest bis Olympia 2002 nicht: „Ich habe bis nächstes Jahr einen Vertrag mit Spanien, den werde ich erfüllen.“ Der Sportler hatte die spanische Nationalität im November 1999 erhalten, nach jahrelangen Querelen mit dem deutschen Verband, Teamkollegen und Trainern. Höhepunkt war die Geisteraffäre von 1995, als er Bundestrainer Zipfel als Spiritisten, der ihn verhext habe, bezeichnete. Auch in Spanien gab es schon Ärger und Spiritismusvorwürfe, und Mühlegg drohte bereits mit erneuter Auswanderung. Der Bruch konnte aber noch verhindert werden.

„Wir bauen eine neue Mannschaft auf, für uns wird er nicht mehr laufen“, schloss der deutsche WM-Delegationsleiter Detlef Braun eine Rückkehr des wunderlichen Wunderläufers kategorisch aus. Jochen Behle, inzwischen Weltcup-Koordinator im DSV und einst ebenfalls mit Mühlegg aneinander geraten, sieht die Sache etwas differenzierter: „Ich kenne keinen Trainer der Welt, der ihn nicht gerne haben möchte.“ Erst recht, wenn er die erste nordische Goldmedaille für Spanien gewinnen sollte. Im 50-km-Lauf am kommenden Sonntag zählt die spanische Naturgewalt zu den Favoriten.

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