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Nato-Außenminister zu LibyenKlare Bedingungen für Gaddafi

Die Nato-Außenminister forderten eine "transparente politische Lösung". Das Regime in Tripolis wirft dem Golfemirat Katar eine Aufrüstung der Rebellen mit modernen Panzerabwehrwaffen vor.

Geschlossenheit demonstrieren: Treffen der Nato-Außenminister in Berlin. Bild: dapd

BERLIN dpa | Die Nato hat dem libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi erstmals klare Bedingungen für ein Ende ihres internationalen Militäreinsatzes gestellt. Die 28 Außenminister der Allianz forderten am Donnerstag in Berlin auch eine "transparente politische Lösung". Dies sei der einzige Weg für einen dauerhaften Frieden in Libyen. Bei dem Treffen waren auch sechs andere Staaten dabei, die am Einsatz beteiligt sind.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen wies Kritik am Verlauf des Einsatzes zurück. Sofern nicht drei Bedingungen erfüllt seien, werde das "hohe Einsatztempo" aufrecht erhalten. "Wir werden nicht untätig zusehen, wie ein diskreditiertes Regime sein eigenes Volk mit Granaten, Panzern und Scharfschützen angreift."

Für ein Ende des Nato-Einsatzes müssten alle Angriffe und Angriffsdrohungen gegen Zivilisten aufhören. Zudem müsse das Gaddafi-Regime alle Streitkräfte einschließlich Heckenschützen, Söldnern und anderen paramilitärischen Milizen nachprüfbar aus den Orten zurückziehen, in die diese Kräfte eingerückt seien. Ferner müsse das Regime für humanitäre Hilfsleistungen an alle Bedürftigen im Lande ungehinderten Zugang gewähren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Außenministerin Hillary Clinton forderten Gaddafi bei einem Treffen im Kanzleramt zum Rücktritt auf.

Westerwelle demonstriert Einigkeit mit Juppé

Der Gastgeber des Treffens, Bundesaußenminister Guido Westerwelle, zeigte demonstrative Einigkeit mit seinem französischen Kollegen Alain Juppé. Paris, das die UN-Resolution zum Schutz der Zivilbevölkerung maßgeblich vorantrieb, hatte der Nato vorgeworfen, nicht entschlossen genug gegen Gaddafis Truppen vorzugehen. Deutschland hatte sich im UN-Sicherheitsrat der Stimme enthalten und beteiligt sich nicht am Nato-Einsatz.

"Die deutsch-französischen Beziehungen sind so eng, so freundschaftlich, dass - wenn wir mal in einer Frage unterschiedliche Meinungen haben - augenscheinlich daraus gleich ein Drama gemacht wird, was ich nicht angemessen finde", sagte Westerwelle. Juppé versicherte: "Das Vertrauen ist nicht zerstört."

Der Nato-Oberbefehlshaber, US-Admiral James Stavridis, forderte von den Verbündeten zusätzliche Kampfflugzeuge, die mit Präzisionswaffen Ziele am Boden angreifen können. Nach Angaben von Diplomaten handelt es sich um "weniger als zehn" dieser Flugzeuge. Dies sei eine Reaktion auf die Taktik Gaddafis, Panzer und schwere Waffen in dicht besiedelten Gebieten zu stationieren, sagte Rasmussen. "Vorher waren viele Ziele einfacher zu erreichen. Wenn wir zivile Opfer vermeiden wollen, dann brauchen wir sehr spezielle Ausrüstung."

In einer gemeinsamen Erklärung verpflichteten sich die Außenminister, "alle notwendigen Ressourcen und die größtmögliche Flexibilität innerhalb unseres Mandats" zur Verfügung zu stellen. Insgesamt reichten die Kräfte der am Einsatz beteiligten Staaten - knapp 200 Flugzeuge und 18 Schiffe - aber aus, sagte Stavridis.

Rasmussen hatte zu Beginn des Treffens indirekt die vor allem von Frankreich kommende Kritik an mangelndem militärischen Einsatz der Nato zurückgewiesen. "Die Streitkräfte der Nato und unserer Partner ergreifen jede nur mögliche Maßnahme, um die brutalen und systematischen Angriffe von Gaddafi auf die eigene Bevölkerung zu verhindern." Seit Übernahme der Einsatzleitung vor knapp zwei Wochen habe die Nato 2000 Einsätze, davon 900 Kampfeinsätze gegen Ziele in Libyen geflogen.

Kritik aus den Schwellenländern

Kritik am internationalen Militäreinsatz kam von den fünf führenden Schwellenländer. "Wir teilen den Grundsatz, dass der Einsatz von Gewalt vermieden werden sollte", erklärten die die Staats- und Regierungschefs der sogenannten Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag im südchinesischen Sanya (Hainan).

Rebellen sollen Waffen aus dem Ausland erhalten haben

Die Aufständischen in Libyen sollen für den Kampf gegen die Truppen des Machthabers Muammar al-Gaddafi angeblich auch moderne Waffen aus dem Ausland erhalten haben. Das Regime in Tripolis wirft dem Golfemirat Katar eine Aufrüstung der Rebellen in Bengasi mit modernen Panzerabwehrwaffen vor. Die Katarer hätten nicht nur Raketen des Typs "Milan" geliefert, sondern auch Militärberater nach Ost-Libyen geschickt, sagte Vize-Außenminister Chalid al-Koeim in Tripolis. Aus Katar gab es zunächst keine Stellungnahme zu den Behauptungen.

Augenzeugen sagten der Nachrichtenagentur dpa in Bengasi telefonisch, in einem Militärlager am Rande der ostlibyschen Stadt Tobruk seien am Donnerstag etwa 35 Offiziere aus Katar eingetroffen. Der Übergangsrat der Aufständischen in Bengasi wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußert.

In Libyen wurde am Donnerstag weiter gekämpft. Der arabische Nachrichtensender al-Dschasira meldete unter Berufung auf die Aufständischen, die Regierungstruppen hätten ein Gebiet in der Nähe des Hafens der seit Wochen belagerten westlichen Stadt Misurata angegriffen. 23 Menschen seien getötet worden, darunter drei Ägypter.

Der europäische Rüstungskonzern MBDA, an dem über EADS auch Deutschland beteiligt ist, hatte in den vergangenen Jahren schon "Milan"-Raketen an das Regime Gaddafis geliefert. Der Wert des gesamten Vertrags belief sich auf 168 Millionen Euro. Er sei auf massiven Druck Frankreichs hin zustande gekommen, heißt es von EADS. Die "Milan" ist eine leichte Panzerabwehrlenkwaffe für mittlere Entfernungen, die von Frankreich und Deutschland gemeinsam entwickelt worden war.

Ein MBDA-Sprecher sagte am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa in Paris, der Vertrag mit Tripolis sei über 1000 Raketen abgeschlossen worden. Es seien aber nicht alle geliefert worden. Waffensystem-Ausbilder seien sofort nach Beginn des Konflikts abgezogen worden. Das Golfemirat Katar hat nach Angaben von MBDA lediglich 100 Milan-Raketen geliefert bekommen.

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1 Kommentar

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  • K
    Keks

    Man sollte die EuropäerInnen bei einer Volksabstimmung zum Thema Flüchtlinge befragen.