Nato-Außenminister in Brüssel: Schweden bleibt vorerst Gast
Am Nato-Treffen kann Schweden nicht als Mitglied teilnehmen. Die Türkei verzögert den Beitritt. Indes baut sie ihre eigene Rüstungsindustrie aus.
Doch es kam anders: Auch anders als von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet, der damals davon ausging, Schweden beim anstehenden Nato-Außenministertreffen als neues Mitglied begrüßen zu können. Das Treffen findet an diesem Dienstag und Mittwoch in Brüssel statt. Doch die Türkei hat vor wenigen Tagen offiziell mitgeteilt, dass der Ratifizierungsprozess noch nicht abgeschlossen sei.
Beobachter vermuten, dass dies nun nichts mehr mit Schweden zu tun hat, sondern vor allem das Verhältnis der Türkei zur Nato-Führungsmacht USA und neuerdings auch zu Deutschland betrifft. Es geht um die Modernisierung und Instandhaltung der türkischen Luftwaffe, für die die Türkei seit längerem neue Kampfflugzeuge in den USA und neuerdings auch Eurofighter kaufen will.
Ursprünglich war die Türkei sogar an der Entwicklung des neuesten US-Kampfflugzeugs F-35 beteiligt und sollte über 100 Exemplare bekommen. Das scheiterte aber daran, dass Präsident Recep Tayyip Erdoğan in Russland moderne Flugabwehrsysteme S-400 einkaufte und die Türkei deshalb von den Amerikanern aus dem F-35-Konsortium herausgeworfen wurde.
Als Ersatz sollten neue F-16-Kampfflieger die in die Jahre gekommenen Flugzeuge desselben Typs ersetzen, aber auch dagegen sträubte sich eine Mehrheit im US-Kongress. Bis heute ist eine für die Türkei positive Entscheidung nicht in Sicht. Das wiederum hat dazu geführt, dass sich die Türkei nun auch um Eurofighter bemüht.
Türkische Rüstungsindustrie boomt
Das wurde erstmals einer größeren Öffentlichkeit mitgeteilt, als Erdoğan am 18. November Berlin besuchte und dort mit Kanzler Scholz auch über dieses Rüstungsprojekt sprach. Scholz äußerte sich nicht zu dem türkischen Wunsch. Die türkische Presse berichtete aber, die beiden Mitproduzenten des europäischen Kampfflugzeugs, Spanien und Großbritannien, hätten ihre Zustimmung signalisiert, während Deutschland sich verweigere.
Der britische Verteidigungsminister Grand Shapps bestätigte das bei einem Besuch in Ankara vor wenigen Tagen. Das Hin und Her um die Modernisierung der türkischen Luftwaffe ist für Erdoğan nun der Hauptgrund, die Ratifizierung des schwedischen Nato-Beitritts weiter hinauszuzögern. Schließlich haben sowohl die USA als auch die deutsche Regierung großes Interesse, dass Schweden nicht länger nur Gast bei der Nato ist.
Die Debatten um Rüstungslieferungen an die Türkei innerhalb der Nato haben aber noch eine andere Auswirkung, die bislang in Europa kaum wahrgenommen wird: Die türkische Rüstungsindustrie boomt. Von Importen unabhängig werden, ist schon länger des Credo Erdoğans, aber in den letzten Jahren ist die Türkei auf diesem Weg erstaunlich weit gekommen.
Das gilt nicht nur für die Kampfdrohnen, die ja bereits weltweit ein türkischer Exportschlager sind, sondern auch für Panzer, Kriegsschiffe und selbst für eigene Kampfflugzeuge. „Die Sanktionen haben unsere eigene Rüstungsindustrie enorm vorangebracht“, verkündete kürzlich auf einem sogenannten „Technofest“ in Izmir der Chef der türkischen Rüstungsagentur, İsmail Demir.
Die an unterschiedlichen Orten jährlich stattfindende Veranstaltung ist nichts anderes als eine gigantische PR-Veranstaltung der Rüstungsindustrie, wo stets mehrere Millionen Menschen die neusten Errungenschaften bestaunen. Im kommenden Jahr soll hier erstmals ein Prototyp eines Nationalen Kampfflugzeugs (MMU) vorgestellt werden. Erdoğan hat ankündigt, dass der Flieger spätestens 2028 in die Produktion gehen und ein Jahr später den Streitkräften zur Verfügung stehen soll.
Im letzten Jahr wurde bereits ein Flugzeugträger für Kampfhubschrauber eingeweiht und im kommenden Jahr soll ein neues Großkampfschiff, auf dem hauptsächlich Drohnen stationiert werden sollen, in Betrieb gehen. So gesehen sind die US-amerikanischen und europäischen Kampfflugzeuge für die Türkei nur noch eine „Brückentechnologie“, die bald durch eigene Waffen ersetzt werden kann.
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