Nationaltorwart Roman Weidenfeller: Wohlfühlklima im Luftkurort
Demütig fügt sich Roman Weidenfeller in die ihm zugedachte Rolle in der Nationalmannschaft. Schon seit gut zehn Jahren hat er auf die Berufung gewartet.
BERLIN taz | Roman Weidenfeller, vor kurzem noch der „beste Nicht-Nationaltorhüter der Welt“ (Jürgen Klopp), lebt derzeit seinen „Draum“. Er wurde ins Nationalteam berufen. Nun darf er sich im Weiß der DFB-Elf zeigen und Pressekonferenzen mit dem DFB-Torwarttrainer Andreas Köpke geben.
Der Ballfänger von Borussia Dortmund hat lange warten müssen auf diese Momente, diesen „Draum“. Sehr lange. Erst jetzt, mit 33 Jahren und 100 Tagen, hat er’s geschafft.
Er ist ein Spätberufener. Weidenfeller wartet schon seit gut zehn Jahren auf eine Einladung. Er hätte so gern bei der WM 2006 mitgemacht, und bei späteren Turnieren sowieso. Aber andere wurden ihm vorgezogen: Tim Wiese und René Adler, Jörg Butt oder Ron-Robert Zieler.
Als Letzterer berufen wurde und Weidenfeller vergeblich auf einen Telefonanruf von Jogi Löw wartete, da platzte dem recht impulsiven Keeper der Kragen. „Vielleicht sollte ich mir die Haare schneiden“, sagte er in Anspielung auf Zielers Frisur. „Vielleicht sollte ich etwas zierlicher sein.“
Es gibt immer einen anderen
Und auf Tim Wiese zielte die Aussage: „Vielleicht sollte ich meinen Rücktritt bekannt geben, bevor ich überhaupt einmal gespielt habe. Vielleicht komme ich damit weiter. Das hat ja schon einmal jemand gemacht.“ Aber, so unkte der Dortmunder, auch das würde wohl nichts helfen: „Selbst wenn jetzt noch ein junger Torwart ausfällt, gibt es irgendwo bestimmt noch jüngere, die dann eingeladen werden.“
Damit schien seine Karriere im Nationalteam beendet, noch bevor sie begonnen hatte. Löw ließ mitteilen, dass er Weidenfellers Torwartspiel für altmodisch halte. Der Coach wollte lieber nicht testen, wie sich dieser charakterlich kantige Typ im Kreis der Nationalelf macht. Doch um aufgenommen zu werden, hat Weidenfeller in einem Gespräch mit Köpke nun gelobt, brav zu sein und sich immer in den Dienst der Mannschaft zu stellen.
Des Dortmunders Wandlung vom Hitzkopf zum DFB-Domestiken könnte ihm nun sogar in den Kader der WM 2014 schwemmen. Was dieses Turnier betrifft, hat Weidenfeller eine Unbedenklichkeitserklärung abgegeben.
Offen für alles
Selbst wenn er nur auf Platz drei in der Hierarchie der WM-Ballfänger liege, werde er nicht aufmucken, sondern froh sein, „die Luft hier zu atmen“. Er sei offen für alles, sagte der Torwart am Dienstag in München. „Entscheidend ist jetzt die Wertschätzung des Trainers und der Öffentlichkeit.“
Die Öffentlichkeit war sich eigentlich immer einig, dass Weidenfeller einer der Besten ist. Das Fachmagazin für Fangfragen, der kicker, ermittelte, dass Weidenfeller der beste Keeper in den zurückliegenden fünf Jahren gewesen sei. Und tatsächlich waren seine Auftritte in der Champions League großartig. In einer Nation, die mit begabten Torhütern wie Bernd Leno, Marc-André ter Stegen und Sven Ulreich, Raphael Schäfer, Kevin Trapp, Thomas Kraft, Timo Hildebrand oder Sebastian Mielitz gesegnet ist, darf sich Weidenfeller nun als Auserwählter fühlen.
Doch das Länderspiel am Freitag gegen Italien in Mailand, das wird nicht Roman Weidenfeller bestreiten. Die Nummer eins steht im Tor: Manuel Neuer.
Fairplay fürs freie Netz
Auf taz.de finden Sie unabhängigen Journalismus – für Politik, Kultur, Gesellschaft und eben auch für den Sport. Frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Alle Inhalte auf unserer Webseite sind kostenlos verfügbar. Wer es sich leisten kann, darf gerne einen kleinen Beitrag leisten. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Migration neu denken
So könnte eine humane Fluchtpolitik aussehen
Trump-Putin-Gipfel in Alaska
Zwei Reichsbürger unter sich
Badeverbote und Hitzewellen
Gefangen in der Betonwüste
Debatte um die Rente
Mithalten im Privatisierungs-Bingo, aber richtig
Ökonom über ungerechtes Rentensystem
„Es geht um Umverteilung“
Europas Rolle nach Alaska-Gipfel
Sanktionen reichen nicht