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Nationalreligiöser über israelische Politik„Wir lehnen zwei Staaten ab“

Yoni Chetboun von der nationalistischen Partei Habajit Hajehudi über die konservative Stimmung in Israel und die Ziele seiner Bewegung.

Palästinenser und Israelis demonstrieren gemeinsam nahe Jerusalem gegen israelische Siedlungen. Bild: dapd

taz: Herr Chetboun, Sie stehen auf Platz elf der Liste Habajit Hajehudi und haben gute Chancen, in die Knesset zu kommen. Was ist Ihre Agenda?

Yoni Chetboun: Ich glaube, dass in Israel 60 Jahre nach Staatsgründung eine Diskussion über die Identität des Landes beginnt. Die Frage ist, ob wir in die Richtung eines Staates aller Bürger gehen, also nicht unbedingt ein Staat des jüdischen Volkes, oder ob wir einen Staat wollen, der die jüdischen Werte in den Vordergrund stellt. Ich denke, dass sich die Raison d’être für uns in Eretz Israel [biblisches Land Israel] aus den jüdischen Werten ergibt, aus dem Tanach [Altes Testament] und unserer gesamten Geschichte.

Was bedeutet das für die Minderheit in Israel?

Yoni Chetboun

, 33, kandidiert zu den Knesset-Wahlen am 22. Januar für die Partei HaBayit Hajehudi. Der hochdekorierte Offizier und Vater von sechs Kindern ist Inhaber einer Unternehmensberatung. Er lebt in Jerusalem.

Die Minderheit kann weiter hier leben, nur muss sie verstehen, dass Israel ein jüdischer und demokratischer Staat ist. Problematisch wird es, wenn die israelischen Araber die Existenz Israels als jüdischen Staat infrage stellen, was leider im palästinensischen und auch im arabisch-israelischen Diskurs passiert.

Wie erklären Sie den großen Erfolg Ihrer Partei?

80 Prozent der jüdischen Bevölkerung Israels bezeichnen sich als religiöse oder traditionelle Juden. Die Verbindung zu den jüdischen Werten ist nicht zwingend religiös. Die Partei ist deshalb auch für weltliche Israelis, denen das Judentum wichtig ist, attraktiv. Habajit Hajehudi füllt eine Lücke. Der israelischen Politik mangelte es an einer Partei, die für eine Ideologie steht. Wir sind eine rechte, jüdische, zionistische Partei, damit fängt es an, auch wenn du nicht mit allem einverstanden bist, was in unserem Programm steht.

Habajit Hajehudi will 60 Prozent des Westjordanlands annektieren. Ist das das Ende der Zweistaatenlösung?

Wir lehnen zwei Staaten für zwei Völker ab. Ein weiterer Staat auf dem Gebiet von Eretz Israel wäre aus zwei Gründen katastrophal. Erstens aus Sicherheitsgründen: Das palästinensische Volk besteht aus verschiedenen Gruppen, religiösen Fundamentalisten, die sich gegenseitig bekriegen. Es gibt weder Möglichkeiten der Kontrolle noch einer Einigung mit den Palästinensern. Jahrzehntelange Verhandlungen haben nichts ergeben. Zweitens sagen wir der Welt heute, dass wir hier seit 3.000 Jahren leben, es gibt 21 arabische Staaten, und es gibt nicht den geringsten Grund, dass Eretz Israel geteilt werden sollte. Judäa und Samaria gehören dem israelischen Volk.

Und was wird mit Gaza?

Der Abzug aus dem Gazastreifen war ein großer Fehler. Wir zahlen den Preis dafür mit jeder Rakete, die auf den Süden Israels abgeschossen wird. Das Sicherheitsproblem ergibt sich aus der Verbindung zwischen Ägypten und dem Gazastreifen. Dort muss eine Trennzone geschaffen werden.

Und der Gazastreifen soll auf lange Sicht zu Israel gehören?

Das habe ich nicht gesagt. Über die Zukunft Gazas muss man nachdenken.

Glauben Sie, dass die USA bei Ihren Plänen mitspielen werden?

Wenn wir immer darauf gehört hätten, was das Ausland sagt, gäbe es heute den Staat Israel nicht. Die USA sind enge Verbündete Israels, aber wir sollten verstehen, dass die internationale Verurteilung des Siedlungsbaus daher rührt, dass die Regierung in Jerusalem selbst schwankt und mal dieses, mal jenes sagt. In dem Moment, wo wir eine Politik verfolgen, die zuallererst uns selbst klar ist und die damit anfängt, dass Eretz Israel dem Volk Israel gehört und Jerusalem ewig ungeteilte Hauptstadt ist, dann wird auch die Welt verstehen, dass hier ein Volk ist, dass auf seine Souveränität beharrt, und anfangen, sich mit wichtigeren Dingen zu befassen, als mit der Frage, ob Israel eine Siedlung baut oder nicht.

Deutschland hat vor einigen Wochen im UN-Sicherheitsrat zum ersten Mal nicht für Israel gestimmt, sondern sich der Stimme enthalten. Beunruhigt Sie das? Und fürchten Sie einen neuen Antisemitismus?

Ich würde die Kritik Deutschlands nicht als antisemitisch bezeichnen. Wir haben eine lange Geschichte der Beziehungen seit dem Holocaust. Ich bin überzeugt, dass die internationale Stimmung ihre Ursache in Jerusalem hat, wo eine Regierung sitzt, die nicht weiß, wohin sie will. Sobald sich das ändert, wird auch Deutschland verstehen, dass Jerusalem oder Judäa und Samaria Deutschland nichts angehen. Wir schreiben den Deutschen umgekehrt ja auch nicht vor, ob sie in München bauen oder nicht.

Verfolgen Sie die Debatte um den Journalisten Jakob Augstein, dem das Simon Wiesenthal Center antisemitische Aussagen vorwirft?

Von der Debatte ist mir nichts bekannt.

Wie schätzen Sie den Arabischen Frühling ein?

Wir müssen uns der Realität stellen. Wenn Regierungen stürzen, dann geraten Waffen in den Umlauf, das führt zum Verlust der Kontrolle. Ich glaube nicht, dass Israel sich in irgendeiner Form in das einmischen sollte, was in den Nachbarländern passiert, aber wir müssen auf alles vorbereitet sein.

Sie wollen den Kuchen essen und ihn doch ganz lassen: Sie sagen, dass 60 Prozent Palästinas annektiert werden sollen, die dort lebenden Palästinenser möchten Sie zu Staatsbürgern machen und sich damit eine Bevölkerung ins Land holen, die Sie gar nicht wollen.

Die Frage ist nicht, ob wir sie wollen oder nicht, wir suchen nach realistischen Lösungen. Es gibt einen Staat mit einer Minderheit, was erst einmal nichts Schlechtes ist. Minderheiten können Gesellschaften bereichern, solange sie den Staat nicht bedrohen.

Wie würde die perfekte Koalition für Sie aussehen?

Die israelische Öffentlichkeit rückt nach rechts und wird sicher den rechten Block wählen. Das Problem ist, dass der Likud vor vier Jahren mit der linken Arbeitspartei eine Regierung gegründet hat, die dem Wunsch der Wähler nicht entspricht. Es ist deshalb wichtig, dass Habajit Hajehudi als starke Koalitionspartei mit in die Regierung einzieht, um sicherzustellen, dass die Regierung eine nationale Agenda verfolgt.

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12 Kommentare

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  • J
    J.Riga

    Die Ein-Staaten-Lösung wird kommen. Aber ganz anders als sie sich Leute wie Chetboun vorstellen mögen. Vgl. Zuid-Africa/Azania

  • B
    bull

    Jawohl ja,und die Palästinenser kpommen in Ghettos,oh Pardon da sind Sie ja schon drin.

  • G
    Gonzi

    Nun, die Idee der Einstaatenlösung ist sicher ausbaufähig.

    Wenn dann noch die Religion zur Privatsache gemacht werden könnte, was bei 5 Arbeitstagen in der Woche auch kein Problem sein sollte,

    wäre nur noch die Frage zu klären, in wie weit man den Flüchtlingen ihr ererbtes Eigentum wiedergeben kann, schließlich wurde da einiges umgenutzt,

    und

    woher das ganze Wasser herkommen soll, damit niemand unterversorgt ist.

     

    Aber bis das geklärt ist, bleibt es noch ein langer Weg für die Denkarbeit.

  • MH
    Marco Hoffmann

    Meine beiden kurzkommentare sind auch hintenübergefallen. Vielleicht sollte ich ausführen, dass es nicht um Artikelverreißen geht, sondern um se fäkkts onn se graunt und ich dafür, dass die thematik überhaupt in deutschsprachigen Medien thematisiert wird und sogar kritische Kommentare freigeschaltet werden, durchaus dankbar bin (habe gestern die genossenschafts-broschüre geordert).

     

    Meinetwegen könnte das Mollath-interview von aller Welt als blabla und Mollath selber als albalb bezeichnet werden - dass überhaupt jemand zu dem mann im brd-gulag geht und ihn nach sieben jahren psychoterror interviewt ist schon klasse. Gleiches gilt hier. Der Bundestag hätte sonst doch nie erfahren, wes geistes kind in israel grassiert! B-)

     

    Ich weiß nicht, ob "die" die kommentare, die nicht freigeschaltet werden, nur unsichtbar klicken, löschen oder wiederherstellen können etc. Der zeitlich z.Zt. zweite kommentar war zuerst als einziger sichtbar.

     

    Schön, das wir mal drüber gesprochen haben.

  • I
    I.Q

    Mir war doch so, als hätte ich dazu schon einen Kommentar geschrieben,

    Tenor, dieser Mann wiederholt nichts, was man nicht schon von israelischer Seite längst gehört hätte,

    aber vielleicht war dies und die daraus abgeleiteten Folgerungen ein zu harter Brocken für den Sonntagsmoderator.

  • F
    Fawkrin

    Bin ich jetzt ein Antisemit, wenn ich diesen Chetboun und dessen Partei als undemokratisch bezeichne?

  • S
    S.K

    Netanjahu wird kaum behaupten wollen, diese Partei könnte ihm in den Rücken fallen.

  • U
    Ute

    Und woher stammt dieser Herr Chetboun?

     

    Um seinen Ansprüchen einer angemessenen Würdigung unterziehen zu können, möchte man doch gerne wissen, wer seine Eltern respektive seine Großeltern waren und wo sie gelebt haben.

     

    Erst dadurch wird verständlich werden, wie sich angesichts solcher Worte ein Palästinenser fühlen muss und welchen Zumutungen diese ausgesetzt sind.

  • MH
    Marco Hoffmann

    Aufgepasst, das hier ist nicht die von der EU gemeinte zweistaatenlösung, sondern avigor liebermanns vorstellung von der umsiedlung der nicht-juden (sogenannte "inside displaced persons") nach palästina, auf die Bezug genommen wird:

     

    "

    Wir lehnen zwei Staaten für zwei Völke r ab .

    "

     

    So sieht der demokratische Disput in der Knesset also aus, man ist uneins über die Lösung der Palästinenserfrage - der Vorschlag gaza ebenso flach zu machen wie hiroshima ist zwei monate alt oder so und wurde von der bundesregierung nicht kommentiert.

     

    Zur Diskriminierung in israel habe ich bereits von hier zitiert: http://www.arabhra.org/hra/SecondaryArticles/SecondaryArticlePage.aspx?SecondaryArticle=1499

  • MH
    Marco Hoffmann

    Die auf dem Photo abgebildete Zeltlager E1-Demo (zumindest das Stangengerüst sieht so aus, wie beim al jazeera english Bericht aus dem Zeltlager, der gestern im Hamburger Kabelfernsehen kam) wurde laut ard und zdf videotext von "israel" geräumt, dabei hatte ein israelisches Gericht gestern oder vorgestern eine sechstägige Räumungsfrist angeordnet. Offensichtlich ist das isaelische militär den gerichten übergeordnet. Nennt man das dann Rechtsstaat?

  • C
    Ceres

    Da ist sie, die hässliche Wahrheit, die keiner hören wollte.

  • W
    Weinberg

    Für die gläubigen jüdischen Israelis wird es noch ein bitteres Erwachen geben.

     

    Wer zu spät die (politische) Realität erkennt, den bestraft das Leben.