Nationalismus in Kroatien: Knietief in der Krise
Die Wirtschaft schwächelt, der Handelskonzern Agrokor ist bankrott. Die Präsidentin ist auf dem besten Weg, es sich mit den Nachbarn zu verscherzen.
Der Skandal um Agrokor könnte das Land wirtschaftlich und politisch in den Abgrund reißen. Mit der Pleite des Mischkonzerns stehen jetzt nicht nur 60 000 direkte Arbeitsplätze auf dem Spiel, sondern 500 000 weitere, die indirekt vom Konzern abhängig sind.
Agrokor erwirtschaftete bisher rund 15 Prozent des Bruttosozialproduktes des Landes und ist ein aus 143 Firmen besthender Mischkonzern, der sowohl in der Produktion als auch in der Distribution von Lebensmitteln aktiv ist.
Mit 800 Filialen war die Supermarktkette Konzum noch bis vor kurzem gemeinsam mit dem ehemals slowenischen Kaufhauskonzern Mercator (2013 von Agrokor übernommen) nicht nur in Kroatien marktbeherrschend, sondern auch in den Nachbarländern Bosnien und Herzegowina und Slowenien bedeutend. Agrokor kontrolliert 80 Prozent des Mineralwassermarktes (Jamnica) sowie auch die Herstellung und den Vertrieb von Speiseöl (Zvijezda) in Kroatien.
Nähe zu Tudjman
Todorić hatte über Jahrzehnte den mit Abstand größten Lebensmittel- und Handelskonzern in ganz Südosteuropa aufgebaut. Ihm konnte das nur gelingen, weil er nach dem Zerfall Jugoslawiens 1991 die Nähe des ersten Präsidenten des Landes, Franjo Tudjman, gesucht hatte und als einer seiner Günstlinge galt.
Es gelang Todorić während der Phase der Privatisierungen Anfang der 90er Jahre viele Firmen aus dem Fundus der im sozialistischen Jugoslawien formell im Besitz der Belegschaften befindlichen Betriebe buchstäblich „für einen Appel und ein Ei“ zu übernehmen. Angesichts der politischen Nähe zu der regierenden Kroatisch Demokratischen Gemeinschaft HDZ war Todorić jedoch auch zu „Gefälligkeiten“ bereit und verteilte wichtige Posten in seinem Konzern an Politiker.
Das so entstandene Klientelsystem wurde auch während der Zeit der sozialdemokratischen Regierungen aufrechterhalten und bestand bis vor kurzem fort. Todorić gelang es zudem, große Summen aus der Firma für sich und seine Verwandten abzuzweigen.
Kritiker sehen in der mangelnden Staatsaufsicht einen der wichtigsten Gründe für den Niedergang des Konzerns. Der Staat drückte angesichts des sich entwickelnden Schuldenbergs beide Augen zu und war sogar teilweise bereit, Bürgschaften für Kredite zu garantieren oder günstige Kredite durch die staatsnahe Zagrebačka Banka zu vermitteln.
Deutsche Konkurrenten
Mit dem Beitritt zur EU 2013 tauchten zudem Konkurrenten auf. Die deutschen Lebensmittelketten Lidl und Kaufland brachten Konzum und Mercator weiter in Bedrängnis. Bis April dieses Jahres häufte Agrokor einen Schuldenberg von über 5 Milliarden Euro an, allein über eine Milliarde Euro bei der russischen Sperbank. Seit April dieses Jahres versucht ein Staatskommissar den Konzern zu retten und Gläubiger, darunter viele Zulieferfirmen, wenigstens halbwegs durch die Aufnahme neuer Überbrückungskredite zu beruhigen.
Vor wenigen Tagen besuchte die Präsidentin des Landes, Kolinda Grabar-Kitarović, den russischen Präsidenten Vladimir Putin in Moskau, um über weitere russische Kredite zu verhandeln. Die russische Seite zögert jedoch, sie will als Kompensation für absehbare Verluste im Bankensektor einen erweiterten Zugriff auf die ebenfalls zum Konzern gehörende Ölindustrie erreichen.
Vom EU-Beitritt erhofften sich die 4,5 Millionen Kroaten noch einen wirtschaftlichen Aufschwung. Außenpolitisch versprach die damalige Regierung eine politische Führungsrolle bei der Integration der Staaten des Westbalkan zu spielen.
In den Nachbarländern Serbien sowie Bosnien und Herzegowina hatte das trotz der konfliktreichen Vergangenheit große Erwartungen geweckt. Und auch in Slowenien erhoffte man sich endlich den Grenzkonflikt in Bezug auf die Bucht von Piran an der Adria zu lösen.
Leere Versprechungen
Doch aus diesen Versprechungen ist nichts geworden. Der wirtschaftliche Aufschwung ist trotz des Touristenbooms der letzten Jahre ausgeblieben. Kroatien hat den Konflikt mit Slowenien wieder verschärft. Es weigert sich, einen internationalen Schiedsspruch zu akzeptieren.
Als die seit Januar 2015 amtierende Präsidentin vor wenigen Wochen verbreitete, Zehntausende von Salafisten seien auf bosnischer Seite an der Grenze zu Kroatien aufgetaucht, löste das heftige Reaktionen in Sarajevo aus. Immer wieder versucht Kroatien die Beitrittsverhandlungen Serbiens mit der EU zu erschweren, willkürliche Handelssanktionen vergiften die Atmosphäre. So vermuten viele Beobachter, die Präsidentin spiele mit dem Nationalismus, um von der Agrokorkrise abzulenken.
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