Natalie Mayroth über das Urteil gegen Sheikh Hasina in Bangladesch: Polarisierend
Bangladeschs Ex-Premierministerin Sheikh Hasina ist eine Frau, die sich ihren Platz an der Spitze erkämpft hat. Sie musste viel erdulden – die Ermordung ihres Vaters 1975 und ihre Jahre im Exil. Seitdem idealisiert sie ihn als Gründer Bangladeschs. Später, als sie dazu in der Lage war, ging sie hart gegen seine vermeintlichen Feinde vor. Gleichzeitig trieben sie politische Ideale an. So setzte sie sich erfolgreich gegen radikale islamistische Kräfte in einem überwiegend muslimischen Land durch. Und sie förderte die Bildung von Mädchen. Doch je länger sie an der Macht war – fast 16 Jahre ohne Unterbrechung –, desto mehr sah sie sich im Recht, quasi allein die Geschicke des Landes zu bestimmen. Wahlen dienten viel mehr dazu, die Parteiriege ihrer Awami-Liga neu zu ordnen, als den Bürger:innen eine echte Wahl an der Urne zu geben.
Nun wiegen die Beweise des Sondertribunals schwer: Hasina soll mitschuldig am Tod zahlreicher Menschen sein (schuldig der Anstiftung und der Anordnung zu töten, Untätigkeit zur Verhinderung der Gräueltaten), als während der Proteste im vergangenen Jahr Sicherheitskräfte scharf schossen und Drohnen einsetzten. Dies hielt das Gericht für erwiesen.
Doch Hasina erkennt das Urteil nicht an. Sie delegitimiert die Übergangsregierung und sieht sich – wie schon 1975 – als Benachteiligte. Die Polarisierung um ihre Person hat bereits zu Spaltungen in der Gesellschaft geführt. Viele wollen einen Neuanfang in Bangladesch – ohne sie. Doch ihre Anhängerschaft ist bereit, für sie zu kämpfen, selbst wenn das neue Unruhen bedeutet. Ihre Flucht nach Indien – sie hat nichts zu befürchten, das Urteil erging in ihrer Abwesenheit – droht die Beziehungen zum Nachbarn zu zerrütten, jenem Land, das ihr bereits von 1975 bis 1981 Asyl gewährte und die Unabhängigkeit Bangladeschs von Pakistan 1981 entscheidend unterstützte. Doch das dürfte die 78-Jährige kaum berühren. Für sie steht fest, dass die Übergangsregierung unter ihrem früheren Gegner Muhammad Yunus nicht legitim sei und ihre Partei zum „Sündenbock“ gemacht werde.
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