Naomi Beckwith wird documenta 16 leiten: Kurz vor knapp neue Kuratorin in Kassel
Nach Debatten über Kunstfreiheit und dem Rücktritt der Findungskomission: US-amerikanische Kuratorin Naomi Beckwith wird documenta 16 leiten.
Naomi Beckwith ist die neue künstlerische Leitung der documenta 16. Die 48-jährige Chicagoerin wird sich in den nächsten Jahren einer sensiblen Öffentlichkeit stellen müssen. Denn als die derzeitige Chefkuratorin am Guggenheim Museum in New York diesen Mittwoch bei einer gut gefüllten Pressekonferenz und per Livestream als neue Documenta-Kuratorin in Kassel angekündigt wurde, waren bei der internationalen Kunstschau zwei zermürbende Jahre vorausgegangen. „Die documenta stand noch vor einem Jahr in ihrer schwersten Krise“, leitet der Kasseler Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne) die Pressekonferenz ein.
Ausgelöst wurde die Krise zunächst durch antisemitische Bildwerke, die Beckwiths Vorgänger, das Kuratorenkollektiv ruangrupa, auf der documenta 15 zugelassen hatte. Das eigentlich Zermürbende aber führte tief in den Kulturbetrieb. Denn wie konnten sich solche Feindseligkeiten darin so festsetzen, wieso hat sie keiner vorher sehen wollen? Die Documenta-Geschäftsführerin musste bald ihren Posten räumen, ruangrupa aber mied bis zum Ende der 100-Tage-Ausstellung in Kassel eine öffentliche Auseinandersetzung.
Die muss Beckwith jetzt umso mehr suchen. „Es darf keine Hinderung eines Austauschs geben“, sagt sie, und scheint sich von der Vorstellung, zu ihrer künftigen documenta vor Publikum Stellung beziehen zu müssen, nicht in ihrer künstlerischen Freiheit eingeschränkt zu fühlen. Das hatte man befürchtet letztes Jahr, in den teils hitzig geführten Debatten um eine Umstrukturierung der Kunstschau, die infolge der antisemitischen Verfehlungen auf der documenta 15 nun den Spagat zwischen Kontrolle und Kunstfreiheit vollführen muss.
Die Disruptionen seit dem 7. Oktober
Eigentlich nahm die Documenta-Debatte schon die Disruptionen vorweg, die seit dem 7. Oktober 2023 den Kulturbetrieb erfassten. Infolge eines Antisemitismusstreits trat im November 2023 die Findungskommission für die documenta 16 geschlossen zurück, jenes Kuratorium, das – unabhängig von der Politik – eine neue künstlerische Leitung ernennen sollte. Kurzfristig sprang in diesem Sommer mit Yilmaz Dziewior, Sergio Edelsztein, N’Goné Fall, Gridthiya Gaweewong, Mami Kataoka, und Yasmil Raymond ein internationales Exptertenteam ein. Das wählte nun in einem mehrstufigen Verfahren Naomi Beckwith aus. Lauter Applaus schallt durch den Raum, als ihr Name fällt.
Das wurde alles zeitlich ganz schön knapp. Wird denn die riesige Kunstschau mit nur zwei Jahren Vorbereitungszeit überhaupt 2027 stattfinden können? „Ja“, verkündete der jetzige Documenta-Geschäftsführer Andreas Hoffmann gleich zu Beginn der Pressekonferenz. Das wird sportlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“