Nancy Faeser und die Hessen-SPD: „Niemand sollte sie unterschätzen“
Nach dem Rückzug von Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel: Die Generalsekretärin der Landespartei, Nancy Faeser, könnte ihn beerben.
Doch jetzt ruft wohl die Pflicht. TSG hat bei der Ankündigung seines Rückzugs am Dienstag der Partei empfohlen, den Vorsitz von Partei und Fraktion in einer Hand zu lassen. Damit wäre der andere mögliche Kandidat neben Faeser für den Parteivorsitz, Europa-Staatsminister Michael Roth, aus dem Rennen: Er gehört dem Bundestag und nicht dem Landtag an.
Die 48-jährige Faeser drängt sich nicht nach vorne, aber sie kann kämpfen. Das gehört zu ihrem Alltag als Rechtsanwältin in einer großen Kanzlei. Auch im Landtag kann sie Attacke. Zuletzt musste Innenminister Peter Beuth (CDU) das erleben. Unerbittlich fordert sie vom Innenminister die Aufklärung der rechten Umtriebe in der hessischen Polizei. Die umstrittene Durchsuchung der Fan-Räume von Eintracht Frankfurt nannte sie überzogen. Während die Ultras der Frankfurter Eintracht den Innenmister mit Schmähparolen angreifen, kann Nancy Faeser sich mit Eintracht-Schal im Stadion zeigen. Denn auch als Fan der Eintracht ist sie glaubwürdig.
In mehreren Untersuchungsausschüssen hat sie der Regierung zugesetzt. Im Ton verbindlich, in der Sache hart fragt sie nach. Sie hat die Akten studiert, die Fakten parat und lässt nicht locker. Selbst politische GegnerInnen schätzen ihre Verlässlichkeit und ihren Humor. „Sie ist eine der wenigen Sozis, die erst mal grundsätzlich fröhlich ist“, so etwa der grüne Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. FDP Fraktionschef René Rock sagt: „Nancy Faeser ist eine Politikerin, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht und sich auch durchsetzen kann. Niemand sollte sie unterschätzen.“
Die Erste ihrer Familie mit Studium
Ihr Vater, ein gestandener Sozialdemokrat, kam einst aus dem Ruhrgebiet nach Schwalbach am Taunus, um dort das Bürgermeisteramt zu übernehmen. Die soziale Gerechtigkeit war früh ihr Thema, auch wenn sie erst mit 18 Jahren in die SPD eintrat. Die Parteikarriere startete nach Jura-Examen und Berufseinstieg. Sie ist die Erste ihrer Familie, die erfolgreich ein Studium abgeschlossen hat. Sie genießt ihren Erfolg und das Leben mit Sohn und Ehemann, ebenfalls Jurist. Und durch ihren Wahlkreis kurvt sie in einem flotten Cabrio. Ihr Motto: „Politiker, die Ahnung vom echten Leben haben, das bekommen Sie nur bei der SPD.“
Die umgängliche Abgeordnete strahlt Optimismus aus. Den konnte sie sich erhalten, trotz vieler Niederschläge, die sie hinnehmen musste. Sie war 2008 designierte Justizministerin, als die damalige SPD-Parteichefin Andrea Ypsilanti bei dem Versuch scheiterte, Ministerpräsident Roland Koch, CDU, mit Hilfe der Linken in Pension zu schicken.
Dreimal verlor sie als „Schattenministerin“ an der Seite von TSG eine Landtagswahl. Auch ihren Wahlkreis Main-Taunus 1, der zu Frankfurts „Speckgürtel“ gehört, können Nancy Faeser und die SPD nicht gewinnen. Zunächst hieß der Sieger immerhin Roland Koch, zuletzt verlor sie zwei Mal gegen einem weithin unbekannten CDU-Nachwuchsmann. Immerhin: Sie erhält stets mehr Erststimmen als ihre Partei Zweitstimmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“