piwik no script img

Namensgebung in IslandNicht mehr nur Sohn und Tochter

Namen definieren das Geschlecht. Deshalb sind Wechsel und nichtbinäre Optionen bisweilen lebenswichtig. In Island wird der Sache nachgegangen.

v.l.n.r.: Option weiblich, Option männlich und die Option divers für intersexuelle Menschen Foto: dpa

Im Internet finden sich Antworten auf viele nicht gar so wichtige Fragen. Zum Beispiel, welche Süßigkeit man wäre oder wie man auf Isländisch hieße. Dabei ist Letzteres leicht zu beantworten. Island hat ein strenges Namenssystem: Der Nachname setzt sich aus dem Namen des Vaters (selten der Mutter) und der Nachsilbe -son für Söhne und -dóttir für Töchter zusammen. Doch das wird sich ändern, zumindest ein bisschen.

Ende Juni wurde in Island ein Gesetz verabschiedet, welches die deutsche Regelung zum dritten Geschlecht in den Schatten stellt. Es ermöglicht es Isländer*innen, in Zukunft eine dritte Geschlechtsoption zu wählen: x. Anders als in Deutschland müssen Betroffene dazu jedoch keine Befragungen und Untersuchungen über sich ergehen lassen. Eine eidesstattliche Erklärung genügt – das gilt ebenso für Transsexuelle.

Wer den Geschlechtseintrag ändern lässt, kann dann den Namen und auch den Nachnamen anpassen. Dabei lässt sich künftig die nichtbinäre Nachsilbe -bur wählen, was so viel wie Nachkomme heißt. Auch darüber hinaus ist das Namensrecht betroffen: Bisher durften Männer nur als männlich registrierte Namen und Frauen entsprechend nur als weiblich registrierte tragen. Deshalb musste eine Isländerin 2013 darum kämpfen, ihren Namen Blær zu legalisieren. In ihren Dokumenten stand bis dahin Stúlka, Mädchen. Die strenge Regelung ist nun aufgehoben.

Was bleibt, ist aber das patronyme Namenssystem, bei dem Kinder nach ihren Vätern benannt werden. Ausnahmen sind selten. Außerdem dürfen die Silbe -bur nur Menschen annehmen, die ihren Geschlechts­eintrag haben ändern lassen. Bei allen anderen wird die binäre Geschlechterordnung fortgeschrieben. Aktivist*innen in Island kritisieren deshalb, dass das Gesetz die Rechte Intersexueller nicht genügend berücksichtige. Sie fordern ein Verbot von Operationen an Kindern, die nicht mit eindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden. Eine Entscheidung hierzu hat das Parlament vertagt.

Damit bleibt das neue Gesetz zwar vorbildhaft, ist aber trotzdem nur ein kleiner Schritt. Die Sichtbarkeit von Intersexualität und die Anerkennung transsexueller Lebenserfahrung wird gestärkt. Ein -bur für alle wäre aber die radikalere Absage an die binäre Geschlechter­ordnung.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Zitat: „Ein -bur für alle wäre aber die radikalere Absage an die binäre Geschlechterordnung.“

    Was denn nun? Weiter oben hieß es noch: „Was bleibt, ist aber das patronyme Namenssystem, bei dem Kinder nach ihren Vätern benannt werden.“

    „Ein -bur für alle“ wäre also keine „radikale Absage“. Radikal wäre, wenn die Abkunft gar keine Erwähnung fände im Namen des Kindes. Für ein Volk von nicht mal 400.000 Personen sollte es machbar sein, zwecks Identifikation nur mit dem Vornamen und dem Geburtsdatum bzw. dem Geburtsort zu handtieren.

    Wenn die Isländer zu sehr an ihrer Tradition hängen und so viel Radikalität nicht aushalten, könnte der Staat für eine Übergangszeit behelfsweise die Eltern selber entscheiden lassen, ob das Kind nach seinem Vater oder nach seiner Mutter benannt werden soll.

    Dem Kind gleich beide Elternteile „anzuhängen“, wäre zwar auch eine Lösung, aber eine, die spätestens in der vierten Generation ein wenig unhandlich werden dürfte. Außerdem müsste dann wieder irgendwer entscheiden, ob der Vater- oder der Muttername zuerst genannt werden soll.

  • Das heisst, wer sich -bur nennt, outet sich dann maximal öffentlich als Inter- oder transsexueller Mensch. Das ist ja auch eine Form von Diskreminierung.

    Das Namenssystem ist ja eigentlich ganz nett, aber wie man sieht auch nicht mehr zeitgemäss, weil streng dual. Das einzig Stete ist der Wandel...