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■ Nahost: US-Präsident Bill Clinton und Arafat nähern sich anDer palästinensische Staat kommt

Historisch. Anders läßt sich der Besuch von US- Präsident Clinton in Gaza nicht bezeichnen. Er ist mehr als eine indirekte Anerkennung des Rechts auf einen palästinensischen Staat. Er nimmt ihn vorweg. Je eher die israelische Regierung sich mit dieser Tatsache anfreundet, desto mehr wird sie aus den Verhandlungen herausschlagen können. Doch nicht vieles spricht dafür, daß Ministerpräsident Netanjahu hierzu in der Lage ist. Zu sehr scheint er der alten Ideologie des Likud verhaftet, die, durchaus im Gegensatz zur Arbeitspartei, die Existenz der Palästinenser zwar zur Kenntnis nahm, den Kampf um dasselbe Land aber als unausweichlich ansah.

Es ist weniger als 30 Jahre her, daß eine israelische Ministerpräsidentin, Golda Meir, schlichtweg abstritt, daß es Palästinenser überhaupt gebe. Gestern aber sind die Palästinenser ihrer Hoffnung, in absehbarer Zeit einen eigenen Staat zu gründen, ein gewaltiges Stück näher gekommen. Israel muß mit seinen Nachbarn leben, entweder im Krieg oder in Frieden, mahnte Clinton. Vielleicht hat nicht einmal er selbst gewußt, wie recht er hat.

Der dramatische Wandel in den palästinensisch- amerikanischen Beziehungen hat seine Wirkung in Israel. Niemand hat mehr dafür getan, die Beziehungen zwischen Israel und den USA zu torpedieren, als Netanjahu, sagen Israelis und Palästinenser gleichermaßen. Netanjahus perfektes Englisch und sein freundliches Gesicht beim Clinton-Besuch können darüber nicht hinwegtäuschen. Es hat heute durchaus den Anschein, als glaube Clinton Arafat mehr als Netanjahu.

Dieser Vertrauensschwund korrespondiert mit dem, den Netanjahu im eigenen rechten Lager in Kauf nehmen mußte. Alle sind seiner leeren Versprechungen schlicht müde. Und haben es satt, auf verlogene Art und Weise immer wieder abgespeist zu werden. Der Clinton-Besuch in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten könnte, obwohl ganz anders intendiert, den vorzeitigen Sturz Netanjahus beschleunigen und zu baldigen Neuwahlen führen.

Vor zehn Jahren wäre es undenkbar gewesen, daß ein amerikanischer Präsident Arafat die Hand schütteln würde. Heute ist es mehr als wahrscheinlich, daß die USA einen palästinensischen Staat in naher Zukunft anerkennen werden. Auch wenn derzeit nicht klar ist, über welches Gebiet er verfügen könnte. Noch mag es an der erforderlichen israelischen und palästinensischen Versöhnungsbereitschaft fehlen. Und vielleicht gehen noch ein paar Jahre ins Land, ehe der palästinensische Staat gegründet wird. Aber daß er kommen wird, das ist seit heute so sicher wie das Amen in der Kirche. Georg Baltissen

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