: Nahost-Gespräche allerorten
■ In Kairo und Taba soll das Autonomieabkommen realisiert werden
Kairo/Tel Aviv (taz) – Gestern trat offiziell das zwischen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und der israelischen Regierung geschlossene „Gaza-Jericho-Abkommen“ in Kraft. Aus diesem Anlaß begannen in Ägypten die offiziellen israelisch-palästinensischen Verhandlungen über die praktische Durchführung des Abkommens. In Kairo und dem im Sinai, direkt an der israelischen Grenze gelegenen Taba trafen sich Delegationen beider Seiten.
Die Gespräche in Kairo wurden auf israelischer Seite von Außenminister Schimon Peres geleitet. Der palästinensischen Delegation stand Mahmud Abbas (Abu Masen) vor. Die Teilnehmer hatten der Zusammenkunft den Namen „Koordinationskomitee“ gegeben. Sie betrachten sich als Überwacher der anderen Einzelverhandlungen. Das Komitee soll sich von nun an zweimal pro Monat auf ägyptischem Boden treffen, um den logistischen Rahmen der Verhandlungen abzustecken und Termine zu koordinieren. Die vorbereitende Verhandlungsphase soll bereits am 13. Dezember abgeschlossen sein. Für die Übernahme des Gazastreifens und der Stadt Jericho durch palästinensische Verwaltungsbehörden sind vier weitere Monate eingeplant.
Am Ende der Gespräche in Kairo hielten sich beide Seiten bedeckt. Das Treffen habe in einer „positiven Atmosphäre“ stattgefunden, hieß es in einer gemeinsamen Abschlußerklärung. Des weiteren war noch zu erfahren, daß die Palästinenser die Freilassung von in israelischen Gefängnissen einsitzenden Landsleuten gefordert hätten. Die israelischen Delegierten versprachen, diese Angelegenheit „wohlwollend zu behandeln“.
Einzelheiten darüber wurden wenige Stunden später in Taba verhandelt. Die dort bis heute tagende Kommission soll sich direkt mit den Fragen des israelischen Rückzugs und der Übergabe von Souveränitäten an die Palästinenser befassen. Schwierigkeiten gab es gestern bei der Definition der Stadt Jericho. Nach israelischer Vorstellung handelt es sich dabei um das reine Stadtgebiet, die Palästinenser zählen auch das Umland dazu.
Von israelischer Seite waren fast ausschließlich Militärs nach Taba gereist. An der Spitze der Delegation steht General Amnon Schahak. Während des Libanonkriegs vor elf Jahren war er Offizier einer Sondereinheit, deren Aufgabe es war, Jagd auf PLO- Führer zu machen. Sein palästinensisches Gegenüber war Nabil Schaath. Er gilt als der wichtigste politische Berater des PLO-Chefs Jassir Arafat.
Die Auswahl der israelischen Delegierten macht deutlich, daß es sich bei dem Treffen in Taba für die Israelis in erster Linie um Gespräche über Sicherheitsfragen handelt. Sie wollen unter anderem über die zukünftige Zusammenarbeit zwischen israelischen und palästinensischen Sicherheitsorganen verhandeln. Zentrale Forderung der Israelis ist es, auch in den zukünftig teilautonomen Gebieten die vollen Hoheitsrechte zu behalten. Um in den Geprächen gewappnet zu sein, hatten sich die Israelis zuvor in simulierten Verhandlungsrunden fit gemacht.
Zusätzlich zu den beiden Kommissionen in Kairo und Taba ist die Gründung von drei weiteren Verhandlungsgruppen angekündigt, die das am 13. September in Washington unterzeichnete Abkommen mit Leben füllen sollen.
Parallel zu den Verhandlungen in Ägypten findet derzeit in Tunis eine weitere Runde der multilateralen Nahost-Gespräche zum Thema Flüchtlinge statt. Es ist die erste Runde dieser Verhandlungen auf arabischem Boden. Aus Israel war dazu der stellvertretende Außenminister Jossi Beilin angereist. Gestern traf er sich zu einem langen Gespräch mit Arafat. Bei der Konferenz gab Beilin bekannt, daß Israel künftig bereit sei, jährlich 2.000 palästinensische Flüchtlinge zu ihren Familien in die besetzten Gebiete zurückkehren zu lassen. Israel sei weiterhin gewillt, zehn in den frühen 70er Jahren ausgewiesenen Palästinensern die Heimkehr zu gestatten.
Jordaniens König Hussein bekräftigte unterdessen in einer Rundfunkrede die historischen Verbindungen seiner Familie zu Jerusalem. Er forderte die Muslime in aller Welt auf, ein „unpolitisches religiöses“ Gremium zu bilden. Dieses solle in Zukunft die islamischen heiligen Stätten in Jerusalem verwalten.
Aus Israel kommen Hinweise auf Fortschritte in den israelisch- syrischen Verhandlungen. Laut einem Bericht der Zeitung Jediot Achronot von gestern soll sich der syrische Staatschef Hafis el-Assad bereit erklärt haben, den israelischen Präsidenten Jitzhak Rabin zu treffen. Die Zusammenkunft könne noch in diesem Jahr stattfinden, als Ort des Treffens sei Washington geplant, berichtete das Boulevardblatt. K. G./awo
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