: „Nagelneue“ Politik für München
■ Münchens „Nagelneue Liste“ nimmt den Wahlkrampf aufs Korn
München (taz) – München soll wieder sauber werden. Der Hauptwaschgang hat begonnen: „Für eine saubere Politik“ wird die SPD sorgen. Eine „saubere Politik für München!“ verspricht die konservative Junge Liste. Und die FDP garantiert „Wir bleiben sauber. Versprochen!“ In ungewohnter Übereinstimmung präsentieren sich die Parteien auf ihren Plakaten für die Stadtratswahlen am 12.Juni. Konkurrenz im Sprücheklopfen bekommen die Etablierten nicht aus den eigenen Reihen, sondern von einer kleinen Gruppe, der Nagelneuen Liste (NNL). Denn die Politik der Nagelneuen „ist nicht nur sauber, sondern rein“.
Dreißig junge Leute wollten den „Wahlkrampf“ der Saubermänner und -frauen und deren böswillige Angriffe auf den gesunden Menschenverstand nicht mehr hinnehmen. Im April gründeten sie sich, seither plakatieren sie gegen die an Volksverdummung grenzenden Wahlsprüche an. Da lacht dem Wahlvolk beispielsweise eine grinsende Visage mit blitzenden Zähnen und weit aufgerissenen Augen entgegen und verkündet: „Wir übernehmen die volle Verantwortung“. „Wir sind nicht dazu da, um Inhalte zu vertreten“, sagt die „Nagelneue“ Kristine Franke.
Hätte die NNL ein Wahlprogramm, würde sie es wohl auch gar nicht vertreten können, denn momentan sieht es so aus, als würde die NNL zu den Stadtratswahlen nicht zugelassen. Gestern abend lief die Frist ab, bis zu der alle Wählergruppen – Parteien ausgenommen, die beim Bundeswahlleiter registriert sind – 320 Unterstützer- Unterschriften gesammelt haben müssen. Bis Freitag nachmittag hatten für die Nagelneue Liste lediglich etwas über siebzig Unterstützer beim Kreisverwaltungsreferat unterschrieben. Das Verfahren halten viele kleinere Gruppierungen für unfair. Die Stadtratswahlen im Juni sind nämlich eine Wiederholungswahl, die die Junge Liste gerichtlich erstritten hatte, und dennoch müssen auch jene Gruppierungen Unterstützerstimmen sammeln, die bei der letzten Wahl bereits zugelassen waren.
Allzu traurig werden die „Nagelneuen“ jedoch nicht sein, wenn sie zur Wahl nicht zugelassen werden, denn Aufmerksamkeit wurde ihnen bereits zuteil. Nicht zuletzt durch eine Aktion in der vergangenen Woche. Auf der Kühlerhaube eines schwarzen Autos hatten sich „Nagelneue“ Spitzenkandidaten der NNL positioniert. In schwarzen Anzügen, Zigarren im Mundwinkel, ließen sie sich vom Wahlvolk, das mit grauen Eselsohren auf dem Kopf zum Stimmvieh degradiert war, durch die Straßen ziehen. Schade nur, daß die Münchner die „Nagelneuen“ wahrscheinlich nicht wählen dürfen, denn mit ihnen wäre dort sicher alles gut geworden. Versprochen!! Annabel Wahba
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