: Nähmaschine für gute Führung
„Starthilfe für Bosnien“soll Ausreise beschleunigen und Abschiebungen vermeiden. Gespendet wird nur bei freiwilliger Rückkehr ■ Von Silke Mertins
Bosnische Kriegsflüchtlinge ohne Wiederaufbauhilfe in eine ungesicherte Zukunft zurückzuschicken sei unmenschlich, beklagen Hamburger Flüchtlingsorganisationen seit langem. Fast ein Jahr nach dem ursprünglichen Rausschmißtermin im April vergangenen Jahres hatte der Senat ein Einsehen und stellte gestern das Projekt „Starthilfe für Bosnien“vor.
Es bietet Hamburger BosnierInnen Sachspenden, um ihnen eine Existenzgründung im mühsam befriedeten Heimatland zu ermöglichen. Konkret können Flüchtlinge sich an die Flüchtlingshilfe wenden (
„Gib ihm lieber keine Fische, sondern eine Angel“, zitiert der über das Hilfsprojekt entzückte Handelskammer-Chef Nikolaus Schües ein chinesisches Sprichwort. Nicht um unbrauchbar Gewordenes gegen Spendenquittung zu entsorgen, sondern uneigennützig unterstütze die Wirtschaft die Starthilfe, betont er. „Wir haben das Herz auf dem rechten Fleck.“Von „Herzen froh“sind auch Handwerkskammer und Industrieverband. „Ich find es einfach toll“, so Jürgen Hogeforster, Geschäftsführer der Handwerkskammer. Allerdings können nur die bosnischen Flüchtlinge Starthilfe in Anspruch nehmen, die Hamburg freiwillig verlassen. Wer nicht weiß wohin, wie viele vertriebene Moslems oder binationale Familien, geht leer aus. Das Programm soll die Ausreisewilligkeit fördern, betont Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD). „Die EU-Hilfe läuft nicht sehr schnell und effizient.“Abschiebungen von Hunderten von Flüchtlingen, das weiß der Senator, würden einen öffentlichen Aufschrei provozieren.
Von Hamburgs 12.500 BosnierInnen sind nach Informationen der Innenbehörde bereits 800 aus freien Stücken zurückgekehrt. Die übrigen sollen noch in diesem Jahr in zwei Stufen die Hansestadt verlassen. Die Daseinsberechtigung in Hamburg ist für Bosnier ohne Kinder seit 1. März abgelaufen.
Hamburg habe in den vergangenen vier Jahren 400 Millionen Mark für die Bürgerkriegsflüchtlinge locker gemacht, so Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel. Um die „Hilfs- und Aufnahmebereitschaft“der Hansestadt aufrechtzuerhalten, müßten die BosnierInnen gehen. Ein Blick nach Albanien zeige, daß weitere „Flüchtlingswellen“zu erwarten seien. Vor wenigen Monaten hatte der Senat noch einen zu befürchtenden „Flüchtlingszustrom“aus Afghanistan herangezogen, um zu begründen, warum BosnierInnen so schnell zurück sollen.
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