Näherinnen in Bangladesch fordern Lohn: Hungerstreik zum Zuckerfest
In Bangladesch protestieren Textilarbeiterinnen, weil sie seit Mai nicht bezahlt werden. In ihrer Fabrik wurden auch WM-Trikots für Lidl genäht.
BERLIN taz | In Bangladesch befinden seit einer Woche Hunderte ArbeiterInnen einer Lidl-Zulieferfabrik im Hungerstreik, weil sie seit drei Monaten keinen Lohn mehr bekommen haben. Die 1.600 ArbeiterInnen der Tuba-Gruppe begannen ihren Protest, als deutlich wurde, dass sie neben den ausstehenden Löhnen auch keinen Bonus zum Zuckerfest am Ende des Ramadans erhalten würden. Trotz Vermittlungsversuchen der Regierung hat sich seitdem nichts getan. Von den Hungerstreikenden wurden laut örtlicher Medien rund 90 in Krankenhäuser eingeliefert.
„Wir haben noch bis kurz vor dem Zuckerfest verhandelt – es war klar, dass wir es nicht mehr in unsere Heimat schaffen würden, selbst wenn sie gezahlt hätten“, sagte ein Arbeiter der Nachrichtenagentur UNB. „Als sie uns auch dann nicht bezahlten, beschlossen wir, das Fest in der Fabrik zu begehen.“ Gemeinsam besetzten die ArbeiterInnen drei Fabriken in der Hauptstadt Dhaka. Bei Demonstrationen lieferten sie sich Straßenschlachten mit der Polizei und setzten Verwandte des Firmenchefs Delwar Hossain fest.
Laut ArbeiteraktivistInnen und der „Kampagne für Saubere Kleidung“ produzierte die Firmengruppe zuletzt unter anderem WM-Trikots für eine Lidl-Tochterfirma. „Die Weltmeisterschaft ist längst vorbei, aber die NäherInnen, die Trikots für Fans produzierten, kommen kaum über die Runden“, kommentierte Aktivistin Mushrefa Mishu die Situation.
Delwar Hossain ist derzeit wegen fahrlässiger Tötung angeklagt und in Haft. Im November 2012 war eine seiner Fabriken, Tazreen Garments, vollständig abgebrannt. Dabei starben 112 Menschen, unter anderem weil Notausgänge verschlossen waren. Die Fabrik hatte unter anderem für C&A, Walmart und den deutschen Discounter Kik produziert. Nach mehr als einem Jahr wurde u. a. gegen Hossain und Frau Anklage erhoben; beide aber tauchten unter und stellten sich erst mehrere Monate später der Polizei. Die protestierenden ArbeiterInnen fordern die Todesstrafe für Hossain wegen des Tazreen-Brands.
Bestätigung, dass das Geld bald kommt
Hossain soll jetzt auf Kaution freikommen. Die Gerichtsentscheidung von vergangener Woche bestätigt für viele ArbeiteraktivistInnen, dass die Löhne zurückgehalten wurden, um Hossains Freilassung zu erpressen. „Der Arbeitgeberverband BGMEA probiert viele Tricks, um Hossain aus dem Knast zu holen“, sagte Mishu der Nachrichtenseite bdnews24. Tatsächlich betonte der Verband immer wieder, dass das Geld für die Auszahlung nur organisiert werden könne, wenn Delwar Hossain freigelassen werde. Ohne dessen Zutun würden die Banken keinem für die Auszahlung angeblich nötigen Kredit zustimmen. Unklar bleibt, warum überhaupt so ein Kredit benötigt wird: Dem Financial Express zufolge nahm die Firma mit der Trikotbestellung ein Vielfaches der Summe ein, die sie den ArbeiterInnen schuldet.
Der Regierung zufolge sollen die ArbeiterInnen in diesen Tagen eine Bestätigung bekommen, dass ihr Geld bald ausgezahlt wird. „Ich habe dem BGMEA angekündigt, dass wir rechtliche Schritte unternehmen werden, wenn die Sache nicht innerhalb der nächsten ein bis zwei Tage geregelt ist“, sagte Arbeitsstaatsminister Mujibul Haque Chunnu bdnews24. Zudem will man noch vor der Sommerpause Berufung gegen die Kaution für Hossain einlegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!