Nächste Kürzungsrunde in Berlin: Günther-Wünschs Sparpläne bedrohen Gewalthilfeprojekt
Die Bildungsverwaltung streicht einem Schulprojekt der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen fast komplett die Gelder. Dort ist man fassungslos.
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Die Initiative geht im Rahmen des Projekts BIG Prävention seit 2006 an Schulen und klärt Kinder, Eltern und Fachpersonal über häusliche Gewalt und Gewalthilfe auf. Eigentlich standen dafür im laufenden Jahr 298.000 Euro zur Verfügung. Eigentlich. Denn statt der 298.000 gibt es jetzt nur noch 7.900 Euro.
Das geht aus der nun vorgelegten Streichliste von Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hervor. Für das Projekt der BIG heißt das: Es ist tot. Bei der Initiative ist man sprachlos. „Wir haben keinen blassen Schimmer, was die Bildungsverwaltung unter CDU-Führung sich dabei gedacht hat“, sagt BIG-Mitarbeiterin Nua Ursprung zur taz.
Das sei nachgerade absurd angesichts des Umstands, dass der Bund gerade erst mit CDU-Stimmen das Gewalthilfegesetz beschlossen hat, das von Gewalt betroffenen Frauen niedrigschwelligen Zugang zu Schutz- und Beratungseinrichtungen gewährleisten soll. Die Union habe damit „auf Bundesebene zum ersten Mal politischen Willen gezeigt, in großem Stil finanzielle Ressourcen für den Schutz von Frauen und Mädchen bereitzustellen“, sagt Ursprung.
Prävention als Nice-to-Have
Die CDU-geführte Berliner Bildungsverwaltung interessiert das offenkundig wenig. Ursprung sagt: „Häusliche Gewalt ist kein Frauenthema, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es braucht deswegen auch gesamtgesellschaftliche, ressortübergreifende Lösungen, aber das scheint Frau Günther-Wünsch noch nicht verstanden zu haben.“
Ines Schmidt, die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, sieht das genauso. „Für die Bildungsverwaltung scheint das Thema Frauen nicht im Kernbereich zu liegen“, sagt Schmidt zur taz. Gerade Präventions- oder Täterarbeit habe offenbar keine Priorität. „Alles, was mit ‚Verhaltensänderung‘ zu tun hat, also mit Prävention oder Täterarbeit, ist für die Bildungsverwaltung nur ein Nice-to-Have, wenn Geld da ist.“
Dabei sind mit Blick auf Partnerschafts- und häusliche Gewalt allein die blanken Zahlen erschreckend. Laut Bundeskriminalamt starb 2023 in Deutschland jeden zweiten Tag eine Frau durch Partnerschaftsgewalt, jeden Tag erleiden mehr als 700 Menschen bundesweit häusliche Gewalt.
„Kinder, die häusliche Gewalt erlebt haben, landen später häufig selbst in gewaltvollen Beziehungen. Diesen Gewaltkreislauf müssen wir unterbrechen“, sagt Ursprung. Das Projekt BIG Prävention bietet deshalb bislang Workshops an Grundschulen an. Es vermittelt Kindern, dass sie in Gewaltsituationen ein Anrecht auf Hilfe haben und wo sie diese suchen können.
Protest ist programmiert
Das Projekt ist Teil des Landesaktionsplans zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, mit der geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und Mädchen bekämpft werden soll. Dass der Senat nun ausgerechnet auch noch an diesen Projekten spart, sei grundfalsch, so Linken-Politikerin Schmidt.
Die Initiative versucht nun, auf die Tragweite der Kürzungen aufmerksam zu machen. „Insgesamt haben wir großen Rückhalt in Politik und Gesellschaft. Einige Schulen haben schon angekündigt, in unserem Namen Protestbriefe an die Senatsverwaltung zu schicken“, sagt Nua Ursprung. Die Kürzungen seien schlichtweg nicht hinzunehmen.
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