Nadine Kleinert über die Leichtathletik-WM: "In mir schlummert noch was"
Die Kugelstoßerin Nadine Kleinert hofft auf eine Medaille bei der WM in Daegu. Wenn ihr beim Wettkampf "kotzübel" wird, sieht sie das als gutes Zeichen.
taz: Frau Kleinert, Teamkolleginnen monieren die schlechten Bedingungen im Trainingscamp auf auf der Insel Jeju und anderen sind die Betten in Daegu zu kurz. Wie geht es Ihnen in Südkorea?
Nadine Kleinert: Mir geht es super hier. Mir gefällt alles. Ich fühle mich zu Hause. Ich habe für mich das Beste draus gemacht, ich hab super trainiert auf Jeju, und hier in Daegu, mein Gott, man kann aus den Betten die Füße raushängen lassen. Wir Großen sind das gewohnt, damit kann man leben.
Sie sind immerhin 1,90 Meter groß. Ist Ihr Bett auch zu kurz?
NADINE KLEINERT wurde 1975 in Magdeburg geboren und hat als Kugelstoßerin viel Silber gewonnen: Bei Olympia 2004 und schon dreimal bei einer WM. Sie ist Athletensprecherin des deutschen Teams und mittlerweile Trainerin an der Sportschule Magdeburg. In Daegu tritt sie erst mal am Sonntag in der Qualifikation an (2.30 Uhr, ARD), das Kugelstoß-Finale findet am Montag statt.
Weiß ich nicht, ich habe heute Nacht geschlafen, ich habe das nicht mitgekriegt.
War es richtig, das Trainingscamp auf eine Insel zu legen? Viele der anderen Athleten sind in Daegu, die Bedingungen sind top, sie treffen einander, es ist nicht langweilig.
Wir konnten auf Jeju das Wir-Gefühl in der Mannschaft noch mal verstärken. Hier in Daegu verläuft es sich ja doch ganz schön. Man könnte vielleicht etwas früher hier rüber kommen. Aber es ist okay.
Südkoreaner sind nicht besonders leichtathletikaffin, wundern Sie sich, dass diese WM hier stattfindet?
Gut, jeder hat das Recht, mal eine Weltmeisterschaft auszutragen. Ich habe es schon oft genug mitgemacht. Mein erster großer Wettkampf war Seoul, irgendwie schließt sich jetzt gerade der Kreis. Das Publikum ist sehr unruhig, viel Kommen und Gehen.
Sie haben 1997 zum ersten Mal an einer WM teilgenommen, in diesem Jahr sind Sie zum achten Mal dabei. Sind sie noch nervös, oder ist das alles Routine?
Ich glaube, wenn ich nicht nervös wäre, würde ich nicht hier sein. Es fühlt sich bei mir noch an wie ganz am Anfang. Vielleicht sogar schlimmer. Vor zwei Jahren in Berlin habe ich das gemerkt. Das war dort ja bekanntlich mein bester Wettkampf bislang. Auch wenn es jetzt ein bisschen hart klingt, aber auf Deutsch: Vor dem ersten Versuch bin ich in Richtung Ring gegangen und wäre am liebsten rausgerannt und hätte mich übergeben. Der Stoß war dann über 20 Meter. Es ist ein gutes Zeichen, wenn mir kotzübel ist.
Jetzt gerade geht es Ihnen aber gut?
Ich bin ja erst in zwei Tagen dran. Im Moment habe ich nur Hunger.
Vor zwei Jahren bei der Weltmeisterschaft in Berlin haben Sie sich auf Ihre noch heute gültige Bestleistung von 20,20 Meter gesteigert und damit Silber gewonnen. Nach dem Wettkampf aber haben Sie gesagt, der Stoß sei immer noch nicht perfekt gewesen, Sie könnten noch weiter stoßen. Glauben Sie daran weiterhin?
Ja. Aber mittlerweile bin ich auch der Meinung: Es gibt keinen perfekten Stoß. Der in Berlin war nah dran. Aber so kleine Nuancen fehlen immer. Ich weiß, dass ich immer noch nicht das Ende erreicht habe. Da schlummert noch was in mir.
Dreimal WM-Zweite sind Sie schon. Was haben Sie sich für dieses Jahr vorgenommen?
Beste Deutsche und Top Acht, also Finale.
Mehr nicht?
Die Top Acht kämpfen alle um eine Medaille.
Sie sind bislang Zehnte in der Weltjahresbestenliste.
Weiß ich nicht, habe ich mir nicht angeguckt, die Liste. Für mich sind Listen Schall und Rauch. Die Tagesform zählt. Die anderen können auch mal einen schlechten Tag haben, wenn ich einen guten hab. Von Gold träumt natürlich jeder. Aber ich sehe das realistisch. Die Goldmedaille ist bei uns weg.
Und die geht an wen?
Entweder an Weißrussland oder an Neuseeland. Ich hoffe, Neuseeland.
Ihre Meinung von Frau Ostaptschuk ist wohl nach wie vor nicht die beste?
Nächstes Thema. Ich glaube, sie ist auch nicht so bestrebt, mit uns zu reden. Abneigung kann man nicht sagen. Es ist nur nicht so ein Kontakt wie zu den anderen. Darum unterstütze ich Neuseeland, wir verstehen uns super, und das schon seit 2004. Wir sprechen miteinander, und nach der Saison wird auch mal Party zusammen gemacht. Da ist Weißrussland immer irgendwie außen vor. Nicht alle, nur eine.
Sie sprechen von Nationen und meinen die Europameisterin Nadeschda Ostaptschuk und die Olympiasiegerin Valerie Adams, ehemals Vili.
Ja.
Bei Ihrer Abneigung gegen Ostaptschuk spielt aber schon auch der Dopingverdacht eine Rolle, oder?
Wir müssen hier alle zur Blutkontrolle.
Ein Fortschritt?
Das hätte man schon lange einführen sollen. Das habe ich schon vor ich weiß nicht wie vielen Jahren gesagt. Jetzt haben sie ja endlich mal gehört. Ich hoffe, dass das was bringt.
Es sieht so aus, als würde Usain Bolt auch in diesem Jahr der Superstar der Weltmeisterschaften werden. Nervt das, oder sind Sie froh, dass die Leichtathletik jemanden wie ihn hat?
Die Leichtathletik hat mehrere Leute, die auch gut sind. Aber wenn er gewinnt, spricht wieder die ganze Welt darüber. Für mich ist das alles nur eine Show. Eine Show, die auch dazu gehört, aber ich finde es unfair, wenn dadurch andere Disziplinen gestört werden, die auch gerade im Stadion sind. Wir konzentrieren uns auch ein ganzes Jahr auf diese WM. Da muss uns nicht der Wettkampf kaputtgemacht werden wegen einer Person.
Er nervt Sie also schon.
Ich schalte auf Durchzug, wenn dieser Mann das Stadion betritt. Ich mache dann einfach meinen Wettkampf. Mich interessiert es auch nicht, wenn wir auf den warten sollen. Ich mache trotzdem. Siehe WM in Berlin. Wir Kugelstoßerinnen haben dort trotzdem unsere Ehrenrunde gedreht. Da hat er mal gesehen, wie es ist, wenn wir ständig auf ihn warten müssen. Er hat sich hinterher auch beschwert. Persönlich bei mir bei der Dopingkontrolle. Hat mich aber nicht interessiert. Ich bin trotzdem vor ihm bei der Dopingkontrolle rein, obwohl er musste.
Seit Ende letzten Jahres sind Sie Kugelstoß-Trainerin an der Sportschule Magdeburg. Ist das der Einstieg in den Ausstieg aus dem aktiven Sport?
Man kann ja zweigleisig fahren. Sagen wir so: fließender Übergang, das hört sich besser an. Ich entscheide immer nach der Saison, schon seit 2004, ob mein Körper noch will oder nicht. So werde ich es auch vor den Olympischen Spielen 2012 machen.
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