Nacktschneckenplage im Garten: Um die Schnecke gebracht

Weil es in diesem Sommer so oft regnet, fressen viele Nacktschnecken die Beete leer. Aber kann man sie deshalb einfach so töten?

Viele Nacktschnecken.

In den Gärten: Nacktschnecken lassen es sich schmecken Foto: Rolf Poss/imago

Ja!

Wenn die Vorsehung es mit der Wiedergeburt ernst meint, dann habe ich schlechte Karten. Ich werde dann vermutlich als Stechmücke, als Kakerlake oder Ratte wiedergeboren. Denn mein Karma ist hin. Weil ich Kreaturen töte. Dieses Jahr vor allem Nacktschnecken. Die roten und die dunkelbraunen, egal ob noch klein oder schon mit beachtlichen etwa acht Zentimetern.

Manchmal trete ich auf sie und nach einem kurzen, dumpfen Geräusch quellen die Gedärme der Schnecken heraus. Meist aber nehme ich die Gartenschere und guillotiniere sie.

Warum ich es tue? Weil die Nacktschnecken, ihrer Bestimmung folgend, ihrerseits erbarmungslos sind und im Garten alles, was ich auch gerne essen würde, Gemüse, oder an dem ich mich erfreue, Blumen, in der Nacht bis auf den Grund vernichten.

So erbarmungslos wie die Nacktschnecken sich über Pflanzen hermachen, so erbarmungslos töte ich sie. Und das, obwohl in ihrem Tun nichts absichtlich Böses steckt. In meinem hingegen schon. Manchmal überfällt mich gar eine schaurige Lust daran. Dann nämlich, wenn sich um eine tote Nacktschnecke lebende Nacktschnecken scharen, die die Gedärme der toten Kollegin fressen. Dann zerschneide ich auch diese. Die wiederum werden von neuen Nacktschnecken aufgesucht und es entsteht eine Nacktschneckenfutterstelle, an der ich mein Henkershandwerk ohne Hemmungen ausübe.

Allerdings weiß ich, dass es auch Tigerschnegel gibt. Das sind Nacktschnecken mit getigertem Körper. Diese schone ich stets. Sie sind sehr nützlich, um die Zahl der anderen Nacktschnecken im Garten auf tierische Weise zu dezimieren, denn sie fressen deren Eier.

Einmal schaute ich zu, wie Tigerschnegel sich paaren. Es ist ein Schauspiel, das einem die Großartigkeit der Natur lehrt. Die Schnegel seilen sich von einem überhängenden Ast ab, winden sich bis zu eine Stunde lang spiralig umeinander, fahren ihre männlichen Geschlechtsorgane aus – sie sind Zwitter – und befruchten sich gegenseitig weiter im Spiraltanz, bevor sie sich wieder auf den Boden fallen lassen.

Es war spektakulär. Danach drehte ich mich um, sah die roten und braunen Nackt­schnecken und der Respekt vor der Natur war wieder dahin. Waltraud Schwab

Nein!

Ich mag Schnecken. Ich lasse mir von ihnen gerne an den Fingern schnurpsen und finde es beruhigend, sie zu beobachten. Das ist aber nicht der Grund, warum ich es falsch finde, Schnecken zu töten. Ich bin Geo-Ökologin, mein fachliches Über-Ich hält sich lieber an Fakten als an persönliche Sympathie oder Antipathie, es sind schließlich alles Kinder des Universums.

Wie schlimm das Schneckentöten ist, hängt von der Methode ab. Auf gar keinen Fall sollte man Schneckenkorn aus Metaldehyd nutzen. Es ist auch für alle anderen Lebewesen giftig: für neugierige Kinder, Hunde oder Igel, indirekt aber auch für alle, die Schnecken und Aas fressen, also für Vögel, Kröten, Ringelnattern, Siebenschläfer, Spitzmäuse und viele verschiedene Insekten. Metaldehyd zu verteilen gleicht einem ökologischen Massenmord.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Das als „ökologisch“ beworbene Schneckenkorn aus Eisen(III)-Phosphat ist nur wenig besser, denn es tötet nicht nur die verhassten Spanischen Wegschnecken, sondern auch Weinbergschnecken, die geschützt sind; Tigerschnegel, die hilfreich sind gegen Wegschnecken, sowie die kleinen Bänderschnecken, die im Garten überhaupt nicht verhaltensauffällig werden.

Nein, bitte nicht, sage ich auch zu Tötungsmethoden wie Durchschneiden, Einfrieren, Salzen, Ertränken – oder zu welchen Mitteln ansonsten friedliche Gartenmenschen auch immer fähig sind, wenn es um ihre Salatsetzlinge geht. Sie tragen dazu bei, das Tier des Jahres auszurotten: den Igel. Nicht, weil der Igel so gern Schnecken frisst, das macht er eher nicht. Aber Igel lieben Käfer. Sehr viele Käfer leben von Schnecken und ihren Eiern. Weniger Schnecken, weniger Eier, weniger Käfer – die Igel schaffen es dann nicht, sich für den Winterschlaf rund zu fressen.

Was noch gegen das Töten der Schnecken spricht: Sie fressen Erdbeeren und Salat, aber eben auch altes Blattwerk, Fallobst, Kadaver und Hundehaufen. Wer will den Dreck wegmachen, wenn die Schnecken ausgelöscht sind? Ich nicht.

Lasst das mit dem Schneckentöten also. Nutzt Zeit, Geld und Kraft lieber, um den Garten fit zu machen gegen Schneckenfraß. Mit Mischkultur und Selbstaussaat, Stauden statt Setzlingen und vor allem mit wilden Ecken, in denen sich all die erwähnten Schneckenfresser wohl fühlen.

Statt Schneckentöten also Schnecken töten lassen: Das ist besser fürs Karma und für die Artenvielfalt sowieso. Sigrid Tinz

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