Nachzahlungen der Bezirke an Gasag: Energie sparen – und trotzdem zahlen?
Die Bezirke sollen der Gasag Liefermengen bezahlen, die sie gar nicht verbraucht haben. Grund ist ein Vertrag mit dem Senat. Eine Lösung ist in Sicht.
taz | Clara Herrmann staunte nicht schlecht, als das Schreiben im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg einging. Mehr als 400.000 Euro sollte der Bezirk für das Jahr 2023 an die GASAG nachzahlen, ärgert sich die grüne Bezirksbürgermeisterin gegenüber der taz. Der Grund: eine so genannte Mindermengenabrechnung der GASAG, die auf einen Liefervertrag mit dem Senat zurückgeht – und die nun an die Bezirke weitergegeben werden sollte.
Klingt kompliziert und ist es auch. Für die Jahre 2021 bis 2023 hat die bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe angesiedelte Energiewirtschaftsstelle EWS zentral Erdgas eingekauft. Deutlich teurer, als der Preis sich später am Markt entwickelte, wie es vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg heißt.
Und noch einen Haken hat der Vertrag. Die EWS sicherte der GASAG die Abnahme einer garantierten Mindestmenge zu. Sollten die Abnehmer, unter anderem die Bezirke mit ihren Liegenschaften, weniger als 90 Prozent der vertraglich vereinbarten Gasmenge verbauchen, sollten sie anteilig für den Verlust aufkommen – genauer gesagt für die Differenz zwischen Beschaffungs- und Marktpreis.
Das trifft für Friedrichshain-Kreuzberg zu. Der Bezirk hat fleißig Energie gespart und nur 85 Prozent der vorgesehenen Gasmenge verbraucht – unter anderem durch Umstellungen von Gas auf Fernwärme wie an der Heinrich-Zille-Schule. Alleine die Einsparungen dort sollen den Bezirk nun 60.000 Euro kosten. „Wer Energie straft, wird bestraft“, sagt Bezirksbürgermeisterin Herrmann.
Betroffen ist nicht nur Friedrichshain-Kreuzberg. Insgesamt belaufen sich die Nachzahlungen aufgrund der Mindestmengenabrechnung auf 6 Millionen Euro. Das wurde auf der jüngsten Sitzung des Rats der Bürgermeister bekannt. Auch für den dabei anwesenden Finanzsenator Stefan Evers (CDU), heißt es, seien die Nachzahlungen überraschend gewesen.
Es soll Nachverhandlungen geben
Eine offizielle Stellungnahme dazu gibt es von Seiten der Finanzverwaltung nicht. Verwiesen wird auf die federführende Wirschaftsverwaltung von Senatorin Franzíska Giffey (SPD). Dort ist man nun an einer schnellen Lösung interessiert.
In einem Schreiben, das der Dienstleister der Energiewirtschaftstelle am Freitag an die Bezirke versandt hat, heißt es, der Senat strebe in Gesprächen mit der GASAG eine Lösung an, um die finanziellen Belastungen der einzelnen Einrichtungen zu reduzieren. Dabei habe die GASAG bereits zugesichert, bis zum Ende des Jahres auf Mahnungen zu verzichten.
In ihrem Schreiben räumt die EWS nach Informationen der taz zudem ein, dass der Minderverbrauch auch auf die Senatsvorgaben an die Bezirke zurückgehe – etwa auf die Vorgaben zur Absenkung der Raumtemperaturen oder das Verbot der Beheizung von Gemeinschaftsflächen.
Für Clara Herrmann ist der Fall dennoch noch nicht vom Tisch. „Solange zentrale Beschaffungsentscheidungen zu lokalen Haushaltsproblemen führen“, kritisiert sie, „bleibt die Energiewende in der Hauptstadt ein Projekt mit angezogener Handbremse.“
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