Nachwehen des britischen Hacking-Skandals: Sonntag ist ein Sonnentag
Murdoch-Offensive: Nachdem die britische Polizei mehrere Boulevardjournalisten verhaftet hat, die für die "Sun" gearbeitet haben, kündigt der Medienmogul ein neues Blatt an.
"Wir werden uns an die Gesetze halten", schreibt der alte Mann treuherzig – und wird dann knallhart und verspricht, alles zu tun, "um denen zu helfen, die verhaftet wurden". Daher seien jetzt auch "alle Suspendierungen vom Dienst aufgehoben bis wirklich Anklage erhoben wird". Die Betroffenen seien "an ihren Arbeitsplätzen wieder willkommen", ihre Anwaltskosten würden von der Firma übernommen: "Jeder ist unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist", schreibt Rupert den MitarbeiterInnen seiner Londoner Boulevardzeitung Sun in einer E-Mail.
Dass sich das ein bisschen wie bei einem Mafia-Boss liest, passt – schließlich wurde Murdoch in der andauernden Schlacht um den Abhörskandal bei seiner im letzten Sommer eingestellten Londoner Sonntagszeitung News of the World auch von Politikern als Medien-Mafioso hingestellt.
Doch nach den jüngsten Verhaftungen einer Reihe von Top-Journalisten der Sun schießt der News Corp.-Chef zurück. Und mehr noch: Murdoch macht auch am Sonntag wieder auf. "Wir werden an die stolze Tradition der täglichen Sun anknüpfen und die Sun on Sunday sehr bald starten", schreibt Murdoch. Es sei "unsere Pflicht, eine der meistgelesenen Zeitungen der Welt auszubauen und noch mehr Leute als bisher zu erreichen". Außerdem, so Murdoch, sei eine gut gemachte Zeitung "die beste Antwort auf unsere Kritiker".
Was Murdoch allerdings verschweigt: Es geht auch um Geld, viel Geld. Schließlich war die News of the World Marktführer im harten Wettbewerb der nationalen Sonntagszeitungen und verkaufte sich zuletzt knapp 2,7 Millionen mal pro Ausgabe. Vom Ende der NoW haben die Sonntagsausgaben der anderen Boulevardblätter – allen voran der Sunday Mirror (Auflage aktuell 1,7 Millionen Exemplare), The People (780.000 Exemplare) und der Daily Star Sunday (640.000 Exemplare) profitiert.
Neuer Preiskrieg?
Und das, obwohl nach Schätzungen britischer Medienexperten rund die Hälfte der NoW-Leser derzeit gar keine andere Sonntagszeitung kaufen. Gerade die will Murdoch nun mit der Sun on Sunday zurückgewinnen. War bislang mit einem Start Ende April gerechnet worden, soll dieser Termin nun nach Berichten des Guardian um mehrere Wochen vorgezogen werden. Insider rechnen mit einem neuen Preiskrieg, schreibt das Blatt – der für Murdoch um so teurer werden könnte, da die Anzeigenumsätze auch im britischen Markt weiter rückläufig sind.
Doch der News Corp.-Boss gibt sich gewohnt kämpferisch: Er werde nun für mehrere Wochen in London bleiben, um den Sun-JournalistInenn seine "unverbrüchliche Unterstützung" zu beweisen, schreibt Murdoch weiter. Dass er sein weltweites Medienimperium jetzt aus der britischen Hauptstadt lenken muss, obwohl er dafür zuletzt immer New York bevorzugte, zeigt wie ernst die Lage ist. Von einer "drohenden Revolte im Newsroom der Sun" war vergangene Woche in Konkurrenzblättern zu lesen.
Und nicht nur die jetzt auch voll im Visier des Phonehacking-Skandals stehenden JournalistInnen der Sun machen Front gegen die "Überreaktion der Polizei". Auch ein führender Jurist erklärte nun, die Art und Weise, wie Murdochs Offizielle mit den Ermittlern zusammenarbeiteten, laufe daraus hinaus, "das Schild, das der Presse vom Parlament zum Schutz ihrer Informanten und Quellen gegeben worden ist, einfach wegzuwerfen".
"Sun shining in London"
Der Police and Criminal Evidence Act 1984, auf den sich Murdoch berufe, sehe hier keine Auskunftspflicht vor, zitiert der Guardian den Menschenrechtsanwalt Geoffrey Robertson. Die Vorgänge könnten sich weit über den Phonehacking-Skandal bei Murdochs Blättern hinaus als "schwerer Schlag gegen investigative Journalismus erweisen", da man hier besonders auf Informantenschutz angewiesen sei.
Murdoch selbst kündigte dagegen an, den Behörden auch weiterhin alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen: „Wir werden jedes Beweisstück übergeben, das wir finden können – nicht nur, weil es unsere Pflicht ist, sondern weil es richtig ist“, heißt es in seiner E-Mail. Denn schließlich soll der Skandal möglichst nicht auch noch den Start der Sun on Sunday überschatten, der nicht mehr fern ist: Während im grauen Berlin am Sonntagmorgen diese Zeilen geschrieben werden, twittert Rupert Murdoch mit feiner Doppeldeutigkeit aus der britischen Hauptstadt: "Miracles do happen! Sun shining in London." Ein Schelm, wer Arges dabei denkt....
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