Nachtzug von Innsbruck nach Hamburg: Der Lego-Bauer im Menschen
Ein Schlafwagen zwischen Innsbruck und Hamburg mit „viel Komfort“ bedeutet: Der Abteil-Architekt beherrscht die Kunst des Platzsparens gut.
Nachtzüge sind eine umweltfreundliche Alternative zu vielen Flügen. Die taz stellt deshalb in loser Folge Verbindungen mit Schlaf- oder Liegewagen vor. Denn viele Angebote sind kaum bekannt. Wir schreiben aber auch, was besser werden muss, damit sie für mehr Menschen attraktiver werden. Alle vorherigen Folgen finden Sie auf www.taz.de/nachtzugkritik.
Also Nachtzug mit einem Abteil für drei Leute im Schlafwagen, privat, niemand sonst. Bezogene Betten, kostenloses Wasser, Schlappen der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), Schlafbrillen, Ohrstöpsel, Frühstück à la carte (ein Bestellformular mit Frühstückskomponenten zum Ankreuzen), ein eigener Waschtisch (in einem Schrank). Die wilde Hoffnung, dass auch eine eigene Toilette zum Abteil gehört, bewahrheitet sich leider nicht. Obwohl auf dem Ticket etwas von Deluxe steht.
Und sehr eng ist es, das Deluxe-Abteil. Im nicht umgebauten Zustand sind es drei Sitze nebeneinander, davor ein langer Tisch, dann gleich die Wand. Den Umbau übernimmt recht bald nach der Abfahrt um 20.44 Uhr der Schaffner. Man dürfte ihn nicht selber machen, selbst wenn man wollte. Nach dem Umbau befinden sich die drei Liegen, die tendenziell sogar die Bezeichnung „Betten“ verdienen, übereinander. Eine Leiter ermöglicht den Aufstieg und montierbare Netze sichern die Schlafenden vor Stürzen in die Tiefe.
Spätestens jetzt macht der Nachtzug Spaß. Die Frage ist ja, wie sich möglichst viel Komfort auf möglichst kleinem Raum unterbringen lässt. Da tut sich Stauraum auf, den man nicht vermutet hätte. Der Tisch zum Beispiel verschwindet in der Zugwand. Die Trinkgläser im Waschtisch-Schrank. Und zum Abschließen der Tür beim Klogang gibt es eine Lochkarte als Schlüssel. So ein Deluxe-Abteil mit seinen kleinen Details euphorisiert den Lego-Bauer im Menschen.
Das Frühstück ist überraschend üppig und gut
Die Fahrt selbst ist dann so mittel. In Rosenheim kommt die Bundespolizei zur Passkontrolle ins Abteil, was ungewohnt ist, weil bei den drei europäischen Grenzen, die wir auf unserer Reise vorher überquert haben, niemand einen Pass sehen wollte.
In München folgt gegen 23 Uhr großes Durcheinander, Leute steigen ein, irgendwas hat mit einer Reservierung nicht geklappt, es gibt Ärger. Im Abteil nebenan telefoniert ein Mann mit einer Stimmfrequenz, die so tief ist, dass sie durch die Wand geht. Der Mann telefoniert die halbe Nacht.
Das Frühstück am Morgen ist überraschend üppig und gut, allerdings ist der Schaffner überfordert, sodass einige Reisende erst in Hamburg-Harburg bedient werden. Wir nicht. Wir kommen mit einer knappen Stunde Verspätung gegen 9.45 Uhr in Hamburg an und sind irgendwo dazwischen: nicht ausgeschlafen, aber auch nicht komplett im Eimer. Toll ist, dass es vom Bahnhof in die eigenen vier Wände geht. Nach einer solchen Nacht im Zug weiterreisen zu müssen, wäre anstrengend.
Gekostet hat das Abteil bei einer Buchung knapp sechs Monate vor Reiseantritt übrigens 220 Euro für zwei Erwachsene und ein neunjähriges Kind. Wobei noch die Kosten für die Fahrt dazukommen. In unserem Fall hatten alle Reisenden ein Interrail-Ticket, welches sich bei der Buchung angeben lässt. Der Gesamtpreis für Abteil und Fahrt lag damit bei 349 Euro für drei Leute.
Zum Vergleich: Ohne Interrail-Ticket und bei kurzfristiger Buchung (neun Tage vorher, außerhalb der Ferien) würden Fahrt und Deluxe-Abteil bei insgesamt 433 Euro liegen, Plätze im privat genutzten Liegewagen bei 347 Euro. Der Zug fährt täglich und heißt Nightjet.
Werden wir es wieder tun? Ziemlich sicher: ja. Allein um rauszufinden, welche Ideen es in anderen Nachtzügen gibt, den Reisenden Schlaf und Körperhygiene zu ermöglichen.
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