Nachtzug von Belgrad nach Bar: Kein Klopapier, aber Panorama
Der Ausblick im Nachtzug von Belgrad nach Bar entschädigt für den geringen Komfort. Snacks muss man unbedingt selbst mitbringen.
Die Vielfalt der Mitreisenden ist groß. So treffen in den Abteilen kostenbewusste serbische Urlauber*innen auf westliche und auch viele chinesische Rucksackreisende.
Die verwendeten Wagen sind eine beinahe ebenso bunte Mischung aus in die Jahre gekommenen plüschigen Sitzwagen, stilvollen Schlafwagen italienischer Herkunft und Liegewagen, die eher spartanisch wirken.
Es gibt keinen Speisewagen oder Essensverkauf an Bord. Einige Male läuft ein Mann durch die Gänge und bietet aus einer Plastiktüte Wasser, Saft und Bier zum Verkauf. Ansonsten ist man auf das angewiesen, was man selbst mitgebracht hat.
Gegen vier Uhr morgens kommt die Grenzpolizei
Da sich über dem Bahnhof Beograd-Centar nach jahrelanger Bauzeit inzwischen zwar eine hypermoderne Ankunftshalle erhebt, es aber dort und auch in der Umgebung kaum etwas zu kaufen gibt, sollte man sich ausreichend mit Proviant eindecken, bevor man den Weg zum Bahnhof antritt. Die Fahrkarte erwirbt man am besten am Bahnhofsschalter, in der Hauptsaison möglichst bereits einige Tage vor dem Reisetermin.
In den Liegewagen sollte man nicht mehr erwarten als sechs straff gepolsterte Liegen pro Abteil, eine dünne Decke und ein Kopfkissen, immerhin jeweils mit frischen Bezügen. Keine Vorhänge, keine Verriegelungen an den Abteilen, keine Klimaanlage. Die Zugtoiletten gehören ebenfalls eher zur einfachsten Kategorie. Mitgebrachtes Toilettenpapier und Desinfektionstücher sind unverzichtbar.
Der Zug unterbricht seine ruckelnde Fahrt recht häufig, auch wenn auf den kleinen, dunklen Bahnhöfen mitten in der Nacht kaum jemand aus- oder einzusteigen scheint. Gegen vier Uhr morgens kommt die Grenzpolizei Montenegros durch den Zug und kontrolliert lässig einige Reisedokumente. Mit der Zeit entsteht so eine Verspätung gegenüber dem Fahrplan von ungefähr einer Stunde.
21 Euro für 500 Kilometer
Was macht also den Reiz dieser Zugfahrt aus? Da ist zunächst einmal der Preis: Umgerechnet 21 Euro bezahlt man für die Fahrkarte in der 2. Klasse für die knapp 500 Kilometer von Belgrad bis nach Bar, ein Liegeplatz schlägt noch einmal mit etwa 7 Euro zu Buche.
Dann die Vielfalt der Mitreisenden und das Gefühl, auf einer wirklich geschichtsträchtigen Strecke zu reisen. Im Jahr 1976 wurde das kostspieligste Infrastrukturprojekt des damaligen Jugoslawiens fertiggestellt, nach jahrzehntelangen Planungen und langer Bauzeit. Die strategisch bedeutsame Strecke weist über 250 Tunnels und beinahe ebenso vielen Brücken auf. Heute wird sie mit chinesischem Kapital modernisiert.
Das Beste an der Reise ist aber das großartige Panorama der Landschaft Montenegros, durch die man morgens bei Sonnenaufgang fährt. Vom höchsten Punkt der Strecke auf etwa 1.000 Meter Höhe bis hinunter zur Adria bieten menschenleere Berglandschaften im schnellen Takt der Brücken und Tunnel ein dramatisches Schauspiel. Zum Glück lassen sich die Fenster für einen ungehinderten Blick nach draußen öffnen, auch wenn die Zugbegleiter das nicht gerne haben.
Zwischen der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica und der Hafenstadt Bar fährt der Zug auf einem Damm über den weiten Skutarisee. Links im Hintergrund meint man schon, Albanien zu erkennen, dann folgt der lange Tunnel Nummer 250 durch die letzte Bergkette, und der Zug erreicht das Meer. Dass der Zug nicht pünktlich um halb acht ankommt, welche Rolle spielt das schon in diesem Moment?
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Nach der Sicherheitskonferenz
Expressverbindung von München nach Paris