Sanssouci: Nachschlag
■ (e.) Twin Gabriel und Cary S. Leibowitz in der Galerie Vier
Der Fälscher sei der Held der elektronischen Kultur, soll Glenn Gould gesagt haben. (e.) Twin Gabriel ist auf dem besten Weg, ihr Heldinnentum zu faken. Seit sie sich vor ein paar Jahren aus dem Feld der „Autoperforationsartisten“ gelöst hat, beschäftigt sie die in Massen gefertigte Biographie: Aus Datenpools interpoliert sie imaginäre Personen, von denen man sagen kann, daß sie beginnen, Gestalt anzunehmen.
Und was für eine. Auf acht quadratischen Tableaus zeigt sie wohlgeordnete Gruppen von Schweineschnauzen, denen von (Else) Gabriel frei kombinierte altdeutsche Namen zugeordnet werden. Das wäre wohl wenig mehr als ein gelungener Scherz, hätte sie nicht in die Gestalt des tierischen Fragments plastisch eingegriffen: Die Latexabgüsse der animalischen Riecher sind durch Schneiden und Falten seltsam verwandelt; Schweineschnauzen als Masken, Fledermäuse und ET-Köpfe. Wenn man sie berührt, geben sie nach: Das Latexrelief ist ein ziemlich ekliger Wackelpudding.
Die andere Hälfte der Show wird bestritten von Cary S. Leibowitz, einem repräsentativen Beispiel pop-trainierter Trashart, die Leibowitz unter Verwendung seines Pseudonyms als „Candyass gay dada“ recht erfolgreich unter die Leute bringt. Was den New Yorker mit Gabriel verbindet, ist das Spiel mit Identitäten, nur daß Leibowitz es von der anderen Seite aus betreibt: Er schreitet, gewissermaßen induktiv, durch existente Persona zu disponiblen Images (Krakel auf Karteikarte: „I slept with Jeff Koons“). Gabriel nimmt eine Setzung vor, die im nachhinein Gestalt(en) annimmt – im Moment, wie mir scheint, der nicht schon ausgetretene, der interessantere Pfad. Ulf Erdmann Ziegler
Galerie Vier, Schwedter Straße 263. Di.–Fr. 14–19, Sa. 11–15 Uhr
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