Sanssouci: Nachschlag
■ Kate Millets "Im Basement" im Freien Schauspiel
Imke Dierks Foto: Marcus Lieberenz
Ein Theaterkritiker, der selbst Theater macht, ein Mann, der sich an einer Klassikerin des Feminismus vergreift – kann das gutgehen? Teilweise ja. Reiner Schweinfurth hat im kleinen Kellerraum des Freien Schauspiels kein Stück inszeniert, sondern einen fast 400seitigen Roman von Kate Millet als Solostück für Imke Dierks. „Im Basement. Meditationen über ein Menschenopfer“ ist eigentlich eine Mischung aus fiktiver Erzählung und sehr genau recherchierter Reportage über den qualvollen Tod der 16jährigen Silvia Likens, die von ihrer Pflegemutter Gertrude Baniszewski und fünf anderen Jugendlichen durch monatelange Folter im Keller des Hauses ermordet wurde. Hingerichtet, „weil sie für ihre Umwelt Sexualität verkörperte“. Indianapolis, 1965.
Für die Bühne wird der komplexe Stoff in den fingierten Monologen des Opfers Silvia und der Täterin Gertrude gespiegelt. Imke Dierks spricht beide, unterbrochen von kurzen Tonbandeinspielungen. Keine leichte Aufgabe. Die Soloschauspielerin mußte das Opfer und die Täterin zugleich verkörpern, ohne falsche Nachahmung der Qual und des Sadismus. Obwohl sie als Typ große Ähnlichkeit mit dem Foto der realen Silvia und so gar nichts von der ausgezehrten Gertrude hat, gibt es in Dierks' Spiel keine Parteinahme, keine Tendenz zur Stilisierung des Opfers oder zur Denunziation der Täterin. Anfangs weiß man noch nicht so recht, wer jeweils gerade zu Wort kommt. Das erhöht zunächst die Konzentration, wird aber bald zum darstellerischen Stolperstein: Die fortgesetzte Gleichbehandlung von Silvia und Gertrude führt dazu, daß die Grenze zwischen der Selbstbezichtigung des Opfers und dem Verfolgungswahn der Täterin verwischt. Dadurch erschöpfen sich auch irgendwann die stimmlichen Variationsmöglichkeiten. Grausamkeiten werden im leisen Ton berichtet, das Verhör vor Gericht wird rasant heruntergeleiert. Die paradox zum Inhalt gesprochenen Sätze verlieren auf die Dauer ihr Spannungsmoment. Das liegt wohl daran, daß nicht Reiner Schweinfurth, sondern, wie er selbst sagt, reiner Zufall Regie geführt hat. So steht und fällt das Ganze mit der Improvisationskunst von Imke Dierks, und bei der nächsten Vorstellung könnte also alles auch ganz anders sein. Matthias Schad
Bis 20.3., 20 Uhr, am 24., 26./27.3. sowie 3./4.4., 7.–10.4., 14.–17.4., 22 Uhr, Freies Schauspiel, Pflügerstraße 3, Neukölln.
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