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SanssouciNachschlag

■ Das Koop-Theater versenkt „Moby Dick“ hochprätentiös im Theater am Halleschen Ufer

„Der Wal muß tot...“: Verkommenes Ufer des Off-Theaters Foto: Thomas Aurin

Das diffuse Grün versinkt im Schwarz – und spärlich tröpfelt der Applaus. Zwei Minuten Beileidsbekundungen aus zwanzig müden Händepaaren für zwei Stunden hartes Theaterexperiment. Ein Experiment mit technischen Mängeln: Worte (oft genuschelt), die von einer Windmaschine übertönt oder vom Mikrophon verzerrt werden; Videoprojektionen, die die über die Bühne hängenden Segeltücher oft nur streifen. Nach einer Stunde verließen die ersten Besucher während eines geräuschvollen Bühnenpogos rasch den Raum. Es war Moby Dicks Untergang, wie er gewiß nicht im Buche steht. Ein Mythos, zu Tode exerziert.

Wohl wußten das Koop-Theater und sein Regisseur Johannes Grebert um das Diffizile des Unterfangens. Eine doppelte Hürde hatte der 30jährige zu nehmen: der Kampf mit dem 1.000-Seiten- Epos von Herman Melville einerseits, andererseits der Kampf gegen einen 30-Meter-Wal mit den Mitteln einer Off-Bühne. Und all das in einer echt prätentiösen Bühnenfassung von Tim Staffel. Der Jungdramatiker (u.a. „Truppen“, „Stadt der Krieger“) und Jugendfreund des Regisseurs hatte nach Greberts Anweisungen ein Moby-Dick-Gerippe verfaßt. Dialoge, kurz wie Schüsse: „Der Wal muß tot / eh' gerammt das Boot.“

Bei Pip, dem verwirrten Seemann, läuft diese Kunstform zur Höchstform auf: „...Gefressen und Gerissen. Und Öl und Tran und Gold und Mann und Gold und Land auf Geld und Gold im Mann und Blau und Weiß und angst...“ Eines ist gewiß: Den Alfred-Döblin-Preis, den Staffel unlängst erhielt, hat er sich mit diesem Stück nicht erschrieben. Vom Klassiker bleiben Reste: Kapitän Ahabs Getriebensein, sein besessener Kampf gegen das Unbezwingbare; und der weiße Wal, der als Metapher und Versprechen für das große, sinnstiftende Geheimnis, möglicherweise aber auch nur für das große Nichts steht.

Die Stückauswahl verteidigend, lobt der Regisseur gerade die erzählerische Haltung. Ihn reizt die „Mauerschau“ antiker griechischer Stücke. Das, was gesagt wird, will er auf der Bühne nicht nachstellen, sondern aussparen. Nein, Käpt'n Ahabs „Toktok“- Holzbein hinkt bei ihm nicht über die Bühne. Eine psychologische Figurenführung ist Grebert zuwider. „Kalt und intellektuell“ nähere er sich seinen Stoffen, „warm und mitfühlend“ hingegen den Figuren, die er in eine Welt geworfen sieht, in der es keine Sicherheit mehr gibt. Davon ist jedoch in der Inszenierung wenig zu sehen. Die Figuren geraten ihm, der den wortkargen Kapitän selbst spielt, zu Marionetten und Hampelmännern. Einzige Ausnahme: Pip, der Zarte und Ungeschickte. Bemerkenswert „verhuscht“ spielt Markus Danzeisen den Seemann, der sich einbildet, eine Krähe zu sein. Wie Aufziehpuppen bauen die anderen ihre Bettgestelle mit den Hängematten auf und ab, zu hartem Rock stampfen sie martialische Aerobic-Figuren. „Da capo“ ist das Motto der Inszenierung, nervzehrende Wiederholungen lassen Minuten zu Stunden werden.

Wo Einar Schleef als Großmagier in ähnlichen Zeremonien die Spannung hält, steht „Ahab“ Grebert als unbeteiligter Nobody daneben. Flaute. Theater als Zwangsmeditation, akustisch malerisch mit Segelstangen-Quietschen unterlegt. Weder vermittelt sich so Greberts Interesse am Mythos, noch das, was ihn an der Welt der Seemänner reizt – Möchtegernmännergestein in einer Pseudomännerwelt. Während seiner Arbeit an „Baader. Remix 95“ hatte Grebert „Moby Dick“ gelesen, da Gudrun Ensslin die RAF-Gefangenen nach Melvilles Romanfiguren benannt hatte. Baader war Ahab. Eine kleine Anekdote der RAF- Story, die uns leider einen weiteren überflüssigen Theaterabend bescherte. Petra Brändle

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