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■ NachschlagHongkong Noises – Die Künstlerin Lo Chiu Ming in den Sophiensälen

Aus allen Kanälen flimmerte vorgestern abend die pompöse Zeremonie der Übergabe Hongkongs an China über die Monitore. Der Bilderflut der TV-Berichte setzte die in Berlin lebende Künstlerin Lo Chiu Ming in den Sophiensälen ihre sehr persönlichen Eindrücke entgegen, die sie im Mai von ihrer Heimatstadt gesammelt hatte. Mit Fotoapparat und Aufnahmegerät war sie in den Straßen umhergezogen, um den Sound und die Bilder des Hongkonger Alltags einzufangen, die sich den Medienblicken entziehen. In den Festsaal der Sophiensäle transferierte Ming am Montag Geräusche, warf ihre riesigen Schwarzweißfotografien an das brüchige Gemäuer und stellte Monitore auf, die die ganze Nacht über die internationalen Berichte wiedergaben. Lo Chiu Mings Bilder traten mit zunehmender Dunkelheit immer deutlicher hervor. Das abnehmende Tageslicht betonte so die Offenheit des Raumes. Eine offene Haltung möchte die Hongkong-Chinesin auch in bezug auf die Zukunft der Insel einnehmen. Die Übergabe an China empfindet sie als eine Mischung aus Wehmut und Hoffnung. In ihren aus Sound, Bild und Video komponierten Installationen „Hongkong Noises“ rückten die Metropolen Hongkong und Berlin näher zusammen.

Nach dem Gang durch den Festsaal entwickelten sich lebhafte Debatten über die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft Hongkongs. Ein Ingenieur, der lange in Taiwan gearbeitet hat, glaubt, daß die Medien nicht das zeigen, was sich in Hongkong wirklich abspielen wird: „Es gibt eine gnadenlose Verschärfung des Kapitalismus, wenn die Engländer weg sind.“

Die Kunst Mings schien zwar auf den ersten Blick unter dem Medienereignis zu verschwinden. Tatsächlich aber blieb sie das heimliche Zentrum des Abends: Der Kontrast zwischen den hektischen Nachrichtensendern und den unaufdringlichen Alltagsmitschnitten hinterließ eine leise, aber nachhaltige Irritation, die sicher auch zur Intensität der Gespräche beigetragen hat. Mara Borchardt

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