Nachruf:
Herbst 1969, Sly & The Family Stone live in der TV-Show „Music Scene“ vor einem tanzenden Publikum aus Weißen und Schwarzen, Hippiematten, Afros, Straights. Ihr aktueller Hit „Hot fun in the summertime“ hat gerade Platz zwei der Hot 100 erreicht, in den Soul Charts reicht es nur zu Platz drei. Normalerweise schneiden Schwarze in den Soul Charts besser ab als im Pop.
Ist Sly & The Family Stone eine schwarze Band? Eine Afroamerikanerin am Keyboard, bodenlanges Seidenkleid in Gelb, blonde Perücke, glattes Haar, goldene Halskette; ein Afroamerikaner, kurzer schwarzer Afro, fette Koteletten, Kinnbart, lila Hemd, Sly Stone am Keyboard, goldenes Seidenhemd über nackter Brust, schwarzer Afro, fette Koteletten, wuchtige Goldkette, Sonnenbrille mit lila Gläsern. Den Refrain singen alle zusammen, zur Bridge kommt ein schwarzer Afroträger hinzu, schwarze Leder-Ballon-Mütze zu brauner Wildlederfransenjacke; der weiße Schlagzeuger trägt gelben Fransen-Poncho zu Fussellocken. Geblasen wird von einem weißen Saxofonisten mit schulterlangem Haar und einer schwarzen Afroträgerin mit bodenlangem Kleid in leuchtendem Orange. Ihr Name ist Cynthia Robinson, ihr Instrument die Trompete, manchmal singt sie auch.
Um die Jahrzehntwende zu den Siebzigern ist Cynthia Robinson Mitglied der tollsten Patchwork-Casting-Familie, die Pop gesehen hat: Sly & The Family Stone, fleischgewordener Traum von Integration: Schwarze, Weiße, Männer, Frauen, an Keyboards & Trompete, nicht bloß singend & tanzend, das Line-up betont die vielstimmige Variety und die populär-universalistischen Songtitel ihrer Hits: „Everybody is a star“, „Stand! (for your rights)“, „Everyday people“, „Dance to the music“ und, der schlichteste und darin effektivste Slogan: „Don’t call me Nigger, Whitey, don’t call me Whitey, Nigger!“ Nach dem Höhenflug, Woodstock-Triumph inklusive, zerbricht die Familienidylle, auch am Drogenappetit ihres Oberhaupts.
Cynthia Robinson spielt bei der Funk-Band Graham Central Station, in den Neunzigern wird sie noch ein Mal für eine Familie engagiert, von Prince, der seine Bands nach dem Vorbild der Family Stone organisierte und Wert auf starke Musikerinnen legte, von Wendy & Lisa bis Sheila E. „R.I.P. Cynthia Robinson“ steht seit dem 23. November auf prince.org, darunter ein Foto der imposanten Trompeterin mit blonder Kurzhaarperücke. Sie wurde 69 Jahre alt.
Klaus Walter
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