Nachruf auf den Musiker Burt Bacharach: The Big Easy
Burt Bacharachs Musik wird leicht abfällig als Easy Listening kategorisiert, aber versuchen Sie mal „What's New Pussycat“ zu singen!
Man könnte es sich leicht machen und einfach die Hits aufzählen: Wer Evergreens wie „I Say A Little Prayer“, „Raindrops Keep Falling On My Head“, „I’ll Never Fall In Love Again“ und „A House Is Not A Home“ komponiert hat, hat selbstverständlich einen Ehrenplatz in der Ruhmeshalle des Tonsatzes sicher.
Mit diesen Songs wurde Burt Bacharach – und sein Textdichter Hal David – in den 1960-er Jahren eine Berühmtheit, und Interpret*innen wie Aretha Franklin, Tom Jones und The Carpenters rissen sich um seine Stücke. Der kommerzielle Erfolg gab ihm aber auch die Freiheit, die Grenzen des Pop-Song-Formats auszutesten, Orchideeninstrumente wie das Cymbalon oder die Bass-Marimba ins Pop-Universum einzuführen, mehrfach mitten im Song den Takt zu ändern und Melodien zu ersinnen, die man als gemeine*r Radiohörer*in nicht ohne weiteres mitsummen kann (versuchen Sie mal „What’s New Pussycat“ zu singen!) – auch wenn die Musik speziell von Rockfans etwas verächtlich als „Easy Listening“ kategorisiert wurde.
Einige dieser gewagten Minidramen voller schwierig zu dechiffrierender Dissonanzen mussten dann auf B-Seiten oder irgendwo auf Alben versteckt wurden, vorzugsweise denen seiner Lieblingsinterpretin Dionne Warwick: Songs wie „Don’t Say I Didn’t Tell You So“, “Walking Backwards Down The Road“, “Fool Killer“ oder “Let Me Go To Him“ bringen eigentlich erst den richtigen, ganzen Bacharach nach vorne.
Gelernt hatte der 1928 in Kansas City geborene Bacharach das Kompositionshandwerk bei niemand geringeren als Darius Milhaud an der Mannes School of Music in New York. Es war die Zeit von Atonalität und „Fäuste-auf-dem-Piano-Zeug“, wie sich Bacharach später erinnerte. Milhaud hörte jedoch eine Sonatine von ihm und bestärkte ihn darin, tonal zu arbeiten: „Das ist nichts wofür man sich schämen muss.“
Ab Mitte der 1950-er Jahre versuchte sich Bacharach als Pop-Songschreiber mit wechselnden Textern, traf Hal David und gemeinsam hatten sie erste kleinere Chartserfolge. Als ihm jedoch ein fester Job als Orchesterleiter, Arrangeur und Tour-Pianist von Marlene Dietrich angeboten wurde, nahm er an und reiste drei Jahre mit ihr durch die Welt.
Der Sound der Sixties
Erst Anfang der 1960-er Jahre intensivierte er wieder die Zusammenarbeit mit David und als sie die Ausnahmesängerin Dionne Warwick entdeckten und begannen, ihr ein Repertoire maßzuschneidern, kam der kommerzielle Erfolg. Bacharach sollte den Sound der noch heute so sehnsüchtig geliebten Pop-Sixties nicht weniger prägen als die Beatles, Bossa Nova und Tamla Motown. Bacharach/ David wurden mit Preisen überschüttet und mit seiner zweiten Frau, der Schauspielerin Angie Dickinson, war Bacharach Teil des Jet Sets.
Der Break kam 1973, als der Film „Lost Horizon“ mit einem exzellenten, aber extrem arbeitsufwändigen Bacharach/ David-Soundtrack an der Kasse und bei den Kritikern floppte, worüber die Partnerschaften mit Hal David und in der Folge auch mit Dionne Warwick zerbrachen. Es folgten persönliche, kreative und juristische Krisen und die musikalischen Vermächtnisse aus dieser Zeit sind zwar superschön, aber auch ausgesprochen düster (etwa das Soloalbum „Futures“ von 1976).
Umso strahlender fiel dann 1985 das Comeback aus, als der von Dionne Warwick (mit Hilfe von Stevie Wonder, Elton John und Gladys Knight) gesungene Aids-Benefiz-Song „That’s What Friends Are For“ sich zur weltweiten Nummer eins hochschraubte.
Die schrecklichen Achtziger
Künstlerisch bekamen die schrecklichen Achtziger allerdings auch Bacharach nicht gut und Freunde seiner hochkomplexen Sixties-Pop-Artistik tun gut daran, diese Veröffentlichungen zu meiden. Besser gelangen ihm spätere Kollaborationsprojekte, etwa „Painted With Memory“ (mit Elvis Costello, 1998) oder „At This Time“ (mit Rufus Wainwright, 2005). Ein weiteres Album mit Costello war zum Zeitpunkt seines Todes in Arbeit.
Bacharach war immer genauso Produzent wie Komponist, dachte Instrumentierung, Produktion und Effekte bei der Kreation mit, weswegen er auch nicht am Piano arbeitete wie die meisten seiner Kolleg*innen.
„Ich habe immer in meinem Kopf komponiert“, verriet er mir bei einem Interview 1996. „Wenn man am Piano schreibt, suchen die Finger automatisch die Wege, die sie kennen, weil sie sie oft gegangen sind. Nur wenn ich auf dem Sofa liege, kann ich mir die ganze Linie vorstellen. Es gibt Leute, die erfolgreich am Klavier arbeiten können, aber ich bevorzuge die Horizontale und habe Notenpapier dabei, um Notizen machen zu können.“
Bis zuletzt reiste Bacharach als Pianist und Orchesterleiter durch die Welt und Zeugen dieser Konzerte waren erstaunt über die jugendliche Frische des über 90-Jährigen. Burt Bacharach starb am 8. Februar in Los Angeles.
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