Nachruf auf Walter Mossmann: So klang Widerstand
Er tourte mit seiner Gitarre durchs Land, sang und kommentierte. Walter Mossmann war der Barde der Anti-AKW-Bewegung.
Sein „Lied vom Lebensvogel“ ist bis heute die Hymne der Gegner des Atomendlagers Gorleben. Von den Anfängen in Wyhl bis zu den Castortransporten ins Wendland begleitete Walter Mossmann die Anti-AKW-Bewegung mit seinen Balladen, Ideen und klugen Kommentaren. In der Nacht zum Samstag starb der Filme- und Liedermacher, Sänger und politische Aktivist im badischen Breisach. Er wurde 73 Jahre alt.
Musikalisch wie politisch beeinflusst von dem linken französischen Chansonnier George Brassens, war Mossmann in der Liedermacherszene schon seit seinen Auftritten bei den Burg-Waldeck-Festivals 1965 und 1966 bekannt. Als Journalist und Moderator arbeitete er für den Südwestfunk, bis er sich mit dem Sender anlegte und kündigte.
Als die Bevölkerung des „Dreyecklands“ – die Grenzregion zwischen Baden, dem Elsass und der Schweiz – zunächst den Bauplatz des Bleiwerks im französischen Marckolsheim und dann das AKW-Gelände in Wyhl besetzte, wurde Mossmann mit seiner Gitarre die Stimme des Widerstands: In dieser Zeit schrieb er die meisten seiner Protestlieder.
Mossmann tourte mit seiner Klampfe durch die Republik und machte die Ereignisse von Wyhl im ganzen Land bekannt. Im Mai 1980 trat er in der „Republik Freies Wendland“ auf, dem Hüttendorf im Gorlebener Wald. Er verliebte sich, engagierte sich im Sprecherrat und blieb bis zur Räumung durch Polizei und Bundesgrenzschutz.
Auch über den Atomkonflikt hinaus war Mossmann politisch aktiv: Er engagierte sich als Student in der APO gegen verkrustete Strukturen in Hochschulen und Gesellschaft, als Kritiker des Sozialismus à la DDR gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann und nach der Tschernobyl-Katastrophe auch für Basisgruppen in der Ukraine, wo er auch zeitweilig lebte.
„Er war ein kritischer Demokrat und undogmatischer Linker, dem alle Ismen und insbesondere der Antisemitismus zutiefst zuwider waren“, würdigte die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg den Verstorbenen. „Die Umweltbewegung und die sozialen Bewegungen haben einen angenehm-unbequemen Freund und Mitstreiter verloren. Wir sind traurig.“
2009 kam Mossmann noch einmal ins Wendland, um aus seinen „wahrheitsgetreu gefälschten Erinnerungen“ zu lesen. Balladen vortragen konnte er damals schon nicht mehr, ein Kehlkopfkrebs hatte seine Singstimme zerstört.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag