Nachruf auf Tomi Ungerer: Freizügig und kosmopolitisch
Der einfühlsame elsässische Kinderbuchautor und bissige Karikaturist war schon zu Lebzeiten eine Legende. Nun ist Tomi Ungerer 87-jährig gestorben.
„Die drei Räuber“ sind verwaist. Der Zeichner dieses berühmten Bilderbuchs, Tomi Ungerer, ist am Wochenende 87-jährig in Cork gestorben. Irland war für ihn kein Exil und auch keine Wahlheimat im eigentlichen Sinne. Der vielseitig talentierte Elsässer wurde bereits in seiner Jugend nachhaltig von der kulturellen Zerrissenheit zwischen Deutschland und Frankreich geprägt. Er betrachtete sich weder als Deutscher noch als Franzose, wenn, dann war Ungerer beides zugleich, aber vor allem war er Europäer und Weltbürger.
Als Achtjähriger war er Augenzeuge, als Hitlers Truppen das Elsass annektierten. Zu Hause in Straßburg in seiner protestantischen Familie wurde Französisch gesprochen, in der Volksschule war nur noch Deutsch erlaubt. Der kleine Jean-Thomas, der mit dreieinhalb seinen Vater, den Uhrmacher, Künstler und Historiker Théodore Ungerer, verloren hatte, hieß plötzlich Hans.
Unter den Mitschülern war der alemannische Elsässer Dialekt gebräuchlich. Nach 1945 wurde die Uhr im Streit um die Amtssprache wieder zurückgestellt, jetzt war Deutsch verpönt. Mit 15 organisierte Ungerer einen Schulstreik gegen das Verbot, auf dem Pausenhof Elsässisch zu sprechen. Geblieben ist ihm aus dieser Zeit der Hang zur Subversion, zum bissigen Humor und ein Engagement gegen nationalistische Dummheit in allen Facetten.
Nach der Mittelschule ging er nach New York „mit 60 US-Dollar und einer Kiste voller Zeichnungen“. Nach entbehrungsreichem Start veröffentlichte Ungerer in Esquire, Life und anderen renommierten Illustrierten. Eine Geschichte mit fliegenden Schweinchen, „The mellops go flying“, brachte ihm international den Durchbruch als Kinderbuchautor. Unter den rund 80 Kinderbüchern sind die verfilmten „Drei Räuber“ am bekanntesten.
Von der Kritik zur Persona non grata erklärt
Ebenso populär wurden seine satirischen, provokativen, teils subversiven und erotischen Karikaturen für Erwachsene. Parallel engagierte er sich in den Protesten gegen den Vietnamkrieg und der Bürgerrechtsbewegung. Die Sammlung „Fornicon“ war 1969 zu freizügig für das sexuell verklemmte Amerika. Von der Kritik zur Persona non grata erklärt, übersiedelte Ungerer schließlich nach Irland, die Heimat seiner Frau.
Tomi Ungerer ist einer der wenigen Künstler, die schon zu Lebzeiten ein eigenes Museum einweihen konnten. Das „Musée Tomi Ungerer/Centre international de l’illustration“ eröffnete 2007 in seiner Geburtsstadt Straßburg. Es beherbergt den Großteil seiner insgesamt 40.000 Zeichnungen, dazu Bücher und von ihm entworfenes Spielzeug.
„Ich habe auch Sachen gespendet, die ich hasse. Jetzt kann ich jemand anderes werden“, meinte Ungerer dazu. Er hatte drei Herzinfarkte überlebt und eine Krebserkrankung besiegt. Der Tod mache ihm keine Angst, sagte er Le Monde: „Der Tod ist eine Zollschranke, du musst hindurch, ohne zu wissen, was dich auf der anderen Seite erwartet. Wer weiß, vielleicht ein riesiger Regenbogen! Nicht zu wissen, wohin man gelangt, ist doch formidabel, oder?“
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