Nachruf auf Ottmar Hitzfeld: Der Mathelehrer geht in Pension
Die Schweizer sind raus. Und Trainer Ottmar Hitzfeld hört auf. Die Würdigung eines Mannes, der zweimal die Champions League gewann.
Ottmar Hitzfeld hat geweint. Das hat viel zu bedeuten, schließlich liegen die letzten öffentlichen Tränen dieses Trainers schon sechs Jahre zurück. Damals hörte er bei Bayern München auf. Aber jetzt endet seine Karriere, während der er mit gleich zwei Teams die Champions League gewinnen konnte, mit Borussia Dortmund und Bayern, gänzlich.
„Solche Emotionen gibt es nur im Fußball“, kommentierte Hitzfeld seinen Gefühlsausbruch nach dem WM-Aus seines schweizerischen Teams. Aber ob das alles erklärt, muss offen bleiben. Schließlich hatte ihn am Morgen des Spiels gegen Argentinien die Nachricht erreicht, dass sein Bruder Winfried an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben war.
Angemerkt hat man Hitzfeld diese psychische Last nicht. Irgendjemand hatte den Fußballlehrer einmal den „General“ genannt. Das hatte aber mit seiner Art, eine Mannschaft zu führen, nicht viel zu tun. Die Charakterisierung galt eher der an einen Feldherrn erinnernden stocksteifen Haltung, mit der er Spiele seiner Mannschaften anzuschauen pflegte.
Hitzfeld war kein militaristischer Schreihals, sondern ruhig, sachlich und kooperativ. Ein Lehrer eben. Der Umstand, dass er 1973 sein Staatsexamen in Sport und Mathematik an der Pädagogischen Hochschule in seiner Geburtsstadt Lörrach abgelegt hat, prägte die Art, wie Hitzfeld mit Spielern umging, mehr als alles andere.
Kunstrasenplatz in Staldenried
Hitzfeld war selbst kein Klassespieler, der aus seiner internationalen Erfahrung eine neue Art, Fußball spielen zu lassen, gewonnen hätte. Innovativ war er nie bei seinen Trainerstationen, nicht in Dortmund, nicht bei Bayern und auch nicht bei der Nati, wie die Schweizer ihre Auswahl nennen. Entsprechend blieb Hitzfeld auch größere Bewunderung versagt. Die stärkste Würdigung, die ihm zuteil wurde, ist die Benennung des Kunstrasenplatzes im schweizerischen Staldenried in „Ottmar Hitzfeld Gsponarena“.
Selbst dramatische Momente seiner Mannschaften – die Niederlage der Bayern in der Nachspielzeit des Champions-League-Finales 1999 gegen Manchester United – verbindet man nicht mit Hitzfelds Gesicht, nicht mit einer besonderen Bemerkung von ihm, und Tränen sind von diesem Abend ebenfalls nicht überliefert. Auch da blieb Hitzfeld noch der sachliche Pädagoge, der sich den Fehler im Notizbuch markierte, um ihn künftig nicht mehr zu wiederholen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!