Nachruf auf Kate Millett: Feministin der ersten Stunde
Kate Milletts Kritik an der patriarchalen Kleinfamilie aus den 1970er-Jahren ist bis heute aktuell. Jetzt starb die US-Feministin im Alter von 82 Jahren.
Die Nachricht stand zuerst nur in der New York Times: Herzstillstand mit 82 Jahren. Kate Millett, Mitbegründerin der Zweiten Frauenbewegung in den USA, ist tot. Ihr bahnbrechendes Werk „Sexus und Herrschaft“ von 1970, eine Generalabrechnung mit dem modernen Patriarchat, ist bis heute ein Klassiker des Feminismus, es wurde mit dem „Kapital“ von Karl Marx verglichen. Eine schnelle Meldung war sie den Agenturen dennoch nicht wert. Wer war das noch mal?
Es ging Millett tatsächlich um die Befreiung der weiblichen Klasse: „Im Patriarchat entwickelte sich der Begriff des Eigentums von seinem einfachen Ursprung, der Frau als beweglicher Habe [. . .]. Die Unterwerfung der Frau unter den Mann ist natürlich weit mehr als ein wirtschaftliches oder politisches Ereignis; sie ist ein totales gesellschaftliches und psychologisches Phänomen“, erklärte sie. Auch männliche Sexualität werde als Herrschaftsinstrument eingesetzt, so eine ihrer Thesen, die sie bei D. H. Lawrence, Henry Miller und Norman Mailer zu belegen suchte: eine Kampfansage.
Millett war radikal. Sie zu lesen ruft bis heute ein tiefes Durchatmen hervor, das die einen erfreut ob so viel Klarheit, die anderen empört über zugespitzte Thesen. Ihre Kritik der patriarchalen Kleinfamilie aber ist bis heute nicht veraltet. Neue Partnerschaftsformen und die egalitäre Aufteilung der unbezahlten Arbeit: Dauerbrenner in der aktuellen Diskussion.
Gegen Patriarchat und Psychiatrie
Kate Millett wurde 1934 in Minnesota geboren, studierte Literatur und Bildhauerei, begann eine akademische Karriere. Ihre Homosexualität wurde ihr von ihren heterosexuellen „Schwestern“ übel genommen. Zudem wurde sie geplagt von einer manisch-depressiven Störung, die sie zeitweise mit Lithium bekämpfte. Zwangseinweisungen ließen sie zur Anti-Psychiatrie-Aktivistin werden.
In den Achtzigern geriet Millett in Vergessenheit. Sie verarmte, bewirtschaftete eine kleine Farm im Staat New York, auf der sie eine Künstlerinnen-Kolonie angesiedelt hatte. Ihr Hauptwerk, „Sexus und Herrschaft“, wurde in den USA im Jahr 2000 noch einmal aufgelegt, in Deutschland ist es nur noch antiquarisch zu erhalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?