Der jaulende Triumphzug durch alle Tonleitern

Gitarrist Eddie Van Halen konnte auch schnörkellose Rockriffs, aber sein orgiastisches Solieren war Alleinstellungsmerkmal der Band Van Halen. Nun ist er gestorben

Eddie Van Halen im Madison Square im Oktober 1982 Foto: MediaPunch/imago

Von Julian Weber

Optisch bleibt die US-Band Van Halen in Form der hautengen Spandex-Hosen von Sänger David Lee Roth leuchtend in Erinnerung. Akustisch prägend sind die Laubsägearbeiten von Gitarrist und Keyboarder Eddie Van Halen, der das Quartett zusammen mit seinem drummenden Bruder Alex in Pasadena im Großraum Los Angeles gründete.

Van Halen läuteten im Hard-und-Heavy-Sektor mit ihrem Debütalbum (1977) eine Phase ein, in der es weniger um den Einfluss von Blues und Böser-Mann-Getue ging, wie weiland noch bei den Druiden Led Zeppelin, und mehr um eine Fortführung des phallusgesteuerten Boogie à la Aerosmith, den Van Halen in kalifornischer Rokokomanier weiter Richtung Metal transformierte. Eddie Van Halen hatte auch schnörkellose Rockriffs parat, aber sein orgiastisches Solieren war Alleinstellungsmerkmal der Band; ein jaulender und heulender Triumphzug durch alle Tonleitern, zu dem der passionierte Sportkletterer David Lee Roth oben auf den Boxentürmen bei Konzerten noch outrierter umherturnen konnte, während unten auf der Bühne Eddie Van Halen als Kavallerie eine Pirouette nach der anderen losritt.

Aufgewachsen waren die Van Halens als Söhne eines Jazzmusikers in Nijmegen. „Die Namensgeber sind, die Vermutung liegt nahe, niederländischer Herkunft“, kombinierte der Autor auf dem Waschzettel des Debüts. Als Jugendliche wanderten die Van Halens mit der Familie in die USA aus. Ursprünglich sollte ihre Band Mammoth heißen, Kiss-Sänger Gene Simmons finanzierte das erste Demo. 1974 begannen Van Halen die Ochsentour als Barband, die gängige Hits zur Getränkeverkaufsankurbelung am Tresen coverte, bis sie 1976 als Opening-Act von Superstars wie Santana auf die große Umlaufbahn durch US-Stadien geschickt wurden. Am Gipfel ihres Erfolgs spielten Van Halen 1983 bei einem Festival vor 300.000 Zuschauern.

An Selbstbewusstsein mangelte es darob nie. „Crash! Boom! Bang! Van Halen heißt, high am Leben werden und einen draufmachen. Wir treiben die bösen Geister mit voller Lautstärke aus“, verlautbarte David Lee Roth. Und Eddie Van Halen: „Ich mache alles genau so wie ich es will. Wer ist der Gitarrengott, der bestimmen kann, du musst die Gitarre so rum oder so rum halten.“ Eddie Van Halens Spezialität war das Spielen mit beiden Händen am Gitarrenhals. Zudem vollführte er bei extremen Tempi effekthascherische Vollbremsungen, ließ durch komplexe Phrasierungstricks Melodien zerschellen, nur, um im nächsten Moment durch niedertourige Heul- und Splittereffekte anderswo im Lied anzuknüpfen. „Eruption“, das von einem Drumbreak seines Bruders eingeleitete Gitarrensolo auf dem Debütalbum wurde zur ersten von unzähligen Hymnen der Band.

Er ließ durch Phrasierungstricks Melodien zerschellen – um woanders anzuknüpfen

In den Achtzigern nahmen Van Halen dann die theatralische „Hair Metal“-Phase von Hardrock mit Chartshits vorweg. Songs wie „Jump“ (1984) und „Why can’t this be Love“ (1986) schafften es, Hardrock mit Bubblegum-Pop zu verschalten, so dass die Musik auch als Warteschleifenmusik von Zahnarztpraxen funktionierte. Nach dem Ausstieg von Roth wurde Sänger und Gitarrist Sammy Hagar als Verstärkung verpflichtet. Dessen Rhythmusgitarre brachte Eddie Van Halen seltsamerweise nicht zu mehr solistischer Raffinesse. Van Halen verkauften auch so zig Millionen Alben, alleine durch „Greatest-Hits“ und gelegentliche Reunionkonzerte hatten sie ein Auskommen.

Am Dienstag ist Eddie Van Halen 65-jährig einer Krebserkrankung erlegen.