Nachruf auf Dr. John: Der Mann mit der Schotterstimme
Seine Musik verband Blues, Jazz und Psychedelicrock, ergänzt durch Voodoo-Zauber. Der Sänger und Pianist Dr. John ist mit 77 Jahren gestorben.
Die Rede ist vom Sänger und Pianisten Dr. John aus New Orleans, der eine über sechzigjährige Pop-Karriere hingelegt hat, in einer unbarmherzigen Stadt, die das Älterwerden nur unter Schmerzen zulässt und Schwächen mit Nichtbeachtung bestraft. Der Erinnerung nach sah Dr. John immer aus wie Catweazle, das Quacksalber-Image und den akademischen Titel legte er sich erst Mitte der Sechzigerjahre zu, in Anlehnung an einen afroamerikanischen Arzt, der in den 1840ern in New Orleans tätig war.
Voodoo: Das Alias vom Alias hieß „The Night Tripper“, Gegenthese zum Beatles-Chartssong „Day Tripper“, aber Malcolm John Michael Creaux Rebennack Jr., wie ihn seine Eltern tauften, oder Mac Rebennack, wie ihn alle nannten, war nie nur Nachtfalter. New Orleans, wo er im November 1941 geboren wurde, hat ihn geprägt, im Guten, wie im Schlechten. „Right Place wrong time“, sein größter Hit, wandelt im Refrain denn auch ab „I been in the wrong place but it must have been the right time“.
Durch seine Mutter, ein Model, das den Sohn für Babycreme-Reklame einsetzte und den Vater, der einen Schallplattenladen besaß, kam Rebennack schon als Steppke mit Musik in Berührung. Gitarrenunterricht nahm er bei Walter Nelson, Gitarrist in der Band seines Idols Fats Domino. Mitte der Fünfziger, als Schüler in einem Jesuitenkolleg, schockte er die Pfaffen mit weltlichen R&B-Songs. Er musste vorzeitig von der Schule, leitete als Teenager 1955 ein Orchester. Sein Wechsel an die Tasten geschah zwangsweise, nachdem ihm 1961 bei einer Auseinandersetzung mit einem Motelbesitzer um eine Gage sein linker Zeigefinger teilweise weggeballert wurde. Es war das Aus als Gitarrist, aber Rebennack hielt sich mit Bass spielen als Sessionmucker (etwa für Sam Cooke) über Wasser.
Big Easy, so wird New Orleans ehrfurchtsvoll genannt. Bis weit in die Siebzigerjahre aber kontrollierte eine recht mafiös agierende Musikergewerkschaft Clubs und Studios, Rebennack lag mit ihr über Kreuz. Von Schulden geplagt und von harten Drogen zerfressen tauchte er 1964 ab nach Texas in die Rehab, konnte nach diversen Verstößen gegen Betäubungsmittel nicht zurück. 1965 in Los Angeles gelang ihm dann der Anschluss an die Studioszene. Erst dort, mithilfe seines Freundes und Kollegen Harold Battiste, wurde die Künstlerpersona Dr. John geboren und debütierte auf dem Album „Gris Gris“ (1967), einem magischen Eintopf aus Jazzinstrumentierung, Soulatmosphäre und hippieeskem Rockvoodoo. Die Sehnsucht nach New Orleans führte immer wieder zu grandiosen Songs und verspulten Konzepten.
Bisweilen floppten Dr. Johns Soloalben, dafür konnte er als Gaststar punkten, etwa bei den Rolling Stones (auf deren Doppelalbum „Exile on Mainstreet“ 1973), bei Harry Nilsson, Soloalben von Ringo Starr. Er blieb im Geschäft. Nach New Orleans kehrte er erst Ende der Achtzigerjahre zurück, als die Metropole eine Renaissance erfuhr, neue Musikergenerationen ihre Traditionen erneuerten und ihr musikalisches Erbe endlich in den USA Anerkennung fand. So geschah es auch mit den Songs von Dr. John und seinen Verdiensten als Mittler zwischen Black Music und Rockszene. 2010 gastierte er in Deutschland und spielte, obwohl gezeichnet von körperlichen Gebrechen, schlafwandlerisch sicher die schönsten Songs aus seinem beachtlichen Repertoire. Donnerstagnacht ist er im Alter von 77 Jahren gestorben.
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