Nachruf auf Chris Cornell: Vorbote des Grunge
Er hat den Rock neu entworfen: Soundgarden- und Audioslave-Sänger Chris Cornell ist kurz nach einem Gig in Detroit gestorben.
Es begann in Seattle. Natürlich. Chris Cornell und Hiro Yamamoto leben 1984 zusammen in einem Zimmer in einem Studentenwohnheim, als sie die Band gründen, mit der sie dem Rock einen neuen Anstrich verpassen und zur Grunge-Gründungsgeneration avancieren sollten: Soundgarden. Basser Yamamoto verabschiedet sich früh, der Name Chris Cornell aber bleibt untrennbar mit dieser Band verbunden, die ihren Mainstream-Durchbruch mit dem Album „Superunknown“ (1994) hatte und die mit Songs wie „Black Hole Sun“ und „Spoonman“ bekannt wurde.
Chris Cornell wird 1964 in Seattle geboren und wächst in einem Vorort der Metropole im Nordwesten der USA auf. Seine ersten Bands hat er zu Beginn der Achtziger, zunächst als Drummer (auch bei Soundgarden), ehe er alsbald zum Gesang und an die Gitarre wechselt. Getreu der Do-it-yourself-Maxime bringt er sich alles selbst bei.
Soundgarden wirbeln erst mal im Underground, veröffentlichen bei den Labels SubPop und SST Records. 1989 landen sie als erste der Bands aus diesem Zirkel bei einem Majorlabel (A&M). Die frühen Soundgarden sind – neben Nirvana, Mudhoney, den genialen Malfunkshun und den Melvins – als Vorboten des Grunge zu verstehen. Cornells Band, dem Metal seit jeher näher als die anderen genannten, weist aber genauso auf die Blütezeit des Stoner Rock in den Neunzigern voraus.
Schon Mitte der Achtziger begann in Seattle eine Reihe von Außenseiterbands, Rock im Sinne der Stooges oder Black Sabbath elementar simpel und hart zu begreifen. Das Ziel: Die Kraft des Rock erhalten und zugleich das Kitschige, das Haarspray, den phallischen Gitarrenhals, den Schnickschnack hinter sich lassen. Die Renaissance des Rohen und des Ungestümen.
Urknall banal
Der Gitarrist der Melvins, Buzz Osborne, hat den Grunge-Urknall einmal so geschildert: „Grunge entstand aus tödlicher Langeweile: Wir saßen zu Hause rum, glotzten endlose Wiederholungen der TV-Serie ‚The Jeffersons‘, soffen dazu Dosenbier und klimperten verzweifelt Gitarre.“ Vielleicht der banalste Urknall, den die Popgeschichte je erlebt hat, aber es war einer.
In diesem neu geschaffenen Kosmos war Soundgardens 1988er-Album „Ultramega OK“ ein früher Klassiker. Nach dem Durchbruch mit „Superunknown“ und dem punkigeren Nachfolger „Down on the Upside“ löste sich Soundgarden 1997 auf dem Zenit ihres Schaffens auf.
Cornell, der mit Temple of the Dog dazwischen schon eine Grunge-Supergroup ins Leben gerufen hatte, trat ab Ende der Neunziger wieder mit Audioslave in Erscheinung – für diese Band, kommerziell höchst erfolgreich, fand der Sänger mit den lockigen braunen Haaren sich mit der Instrumentalsektion von Rage Against the Machine zusammen. Mit den drei Audioslave-Alben feierte Cornell Charterfolge, nach der Auflösung der Band 2007 fand man sich erst zum Protest gegen die Inauguration Donald Trumps Anfang dieses Jahres wieder zusammen.
Nachdem Cornell, der zeitweise mit Alkohol- und Drogenproblemen zu kämpfen hatte, sich in Post-Audioslave-Zeiten seiner Solokarriere widmete, verkündete er Anfang 2010 die Rückkehr von Soundgarden. Das Comeback-Album „King Animal“ (2012) bot keine Überraschungen, aber der Fan des soliden, erdigen Soundgarden-Sounds kam auf seine Kosten.
Am Mittwochabend gab Chris Cornell mit Soundgarden noch ein Konzert im Fox Theatre zu Detroit. In das abschließende Stück „Slaves & Bulldozers“ flocht der Sänger die Gospel-Nummer „In my time of dying“ ein. Noch am Mittwochabend ist Chris Cornell im Alter von 52 Jahren gestorben. Die Todesursache ist noch nicht bekannt.
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