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Nachruf auf Alois GlückDas C und das S der CSU

Alois Glück hat gezeigt, dass die CSU auch leise kann. Nun ist der frühere bayerische Landtagspräsident im Alter von 84 Jahren gestorben.

Ohne zu brüllen bestimmte Alois Glück fast vier Jahrzehnte lang die Geschicke der CSU maßgeblich mit Foto: Dominik Baur

München taz | „Er war einer der größten und bedeutendsten Politiker unseres Landes“, ließ Bayerns Ministerpräsident Markus Söder unmittelbar nach der Nachricht vom Tod des CSU-Politikers Alois Glück verbreiten. Söder sprach von einer „starken Stimme und moralischen Instanz, die sehr fehlen wird“. Und Klaus Holetschek, Glücks Nachfolger im Amt des CSU-Landtagsfraktionschefs, ergänzte: „Er war für mich ein leuchtendes politisches Vorbild.“ Auch die Opposition trauert. Als „einen, der Gräben überwinden konnte“, würdigte ihn Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. Sprich: Einer, wie man ihn heute so sehr brauchen könnte.

Am Montagmorgen ist Glück, der fast vier Jahrzehnte lang die Geschicke seiner Partei maßgeblich mit gelenkt hat, in einer Münchner Klinik im Alter von 84 Jahren gestorben. Dass er mit dem Weg, den die CSU in den vergangenen Jahren eingeschlagen hat, nicht immer einverstanden, schon gar nicht glücklich darüber war, daraus machte er kein Geheimnis. Auch wenn er keiner war, der seinen Unmut laut hinausbrüllte. Alois Glück war das beste Beispiel dafür, dass die CSU auch leise kann.

Im Jahr 2016, der Streit innerhalb der Union über die Merkel'sche Flüchtlingspolitik hatte gerade mal wieder einen seiner Höhepunkte erreicht, konnte Glück nicht mehr an sich halten, stellte ein 21 Seiten langes Papier ins Netz, in dem er seine Sorgen artikulierte. „Diskussionsbeitrag zum weiteren Weg unserer CSU“ nannte er es bescheiden. Einen Werteverlust in der Partei konstatierte er und eine Entfremdung zwischen der CSU und den Menschen. Ihm fehlte das Soziale, das Christliche, das Menschliche.

Einem Gespräch hinterher mit der taz stimmte er zu, fand deutliche Worte – auch über die, die mittlerweile in seiner Partei das Sagen hatten, oder die, die mit aller Gewalt nach oben strebten. Die, die seine Werte nicht teilten oder zumindest nicht mit Verve verteidigten. Kurz nach dem Gespräch ruderte er zurück: Nein, er wolle keines seiner Zitate in der Zeitung lesen. Die Loyalität mit der CSU war eben doch größer. Bei allen Bauchschmerzen war Glück eben doch ein Parteimann durch und durch.

„Soziales Gewissen der CSU“

Der aus dem Chiemgau stammende gelernte Landwirt war von 1970 bis 2008 Mitglied des bayerischen Landtags. In den 1980er-Jahren war er zwei Jahre lang Staatssekretär im Umweltministerium. Ohnehin galt er als einer der Pioniere der Umweltpolitik. Von 1988 an führte und prägte er 15 Jahre lang die CSU-Fraktion. In seiner letzten Legislaturperiode übernahm er schließlich noch das Amt des Landtagspräsidenten.

Hätte den inoffiziellen Titel „Soziales Gewissen der CSU“ nicht schon die inzwischen ebenfalls verstorbene Barbara Stamm innegehabt, Glück wäre ein heißer Anwärter dafür gewesen. Und wäre nicht Parteifreund Josef Göppel stets als „grünes Gewissen der CSU“ bezeichnet worden, auch für dieses Prädikat hätte sich Glück qualifiziert.

So war es natürlich kein Zufall, dass es Glück war, der im Jahr 2019 den Runden Tisch zum Artenschutz leitete, der infolge des erfolgreichen Artenschutz-Volksbegehrens, Landwirte und Umweltschützer zusammenbringen sollte. Eben einer, der Gräben überwinden kann.

Auch sonst war Glück nach seiner aktiven Politlaufbahn ehrenamtlich sehr aktiv: als Ehrenvorsitzender der Bergwacht Bayern, im Netzwerk Hospiz Südostbayern, und vor allem als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (von 2009 bis 2015). Der Glaube war ohnehin eine seiner stärksten Antriebsfedern. Zur Politik war er über die Katholische Landjugendbewegung gekommen. Wenn einer das C und das S im Parteinamen verkörpert hat, dann er.

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