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Nachruf Günter GrassEs gibt kein unschuldiges Papier

Der Schriftsteller Günter Grass ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Die Frage der Schuld in der Geschichte hat seine Romane geprägt.

Die Hand von Günter Grass, ein Requisit umfassend. Bild: dpa

Wir sind noch ganz am Anfang der „Blechtrommel“, als der Ich-Erzähler, der am Beginn dieses berühmtesten und wahrscheinlich auch wirkmächtigsten Romans der alten Bundesrepublik Deutschland in einer „Heil- und Pflegeanstalt“ steckt, von seinem Wärter Bruno etwas verlangt, damit er seine Lebensgeschichte aufschreiben kann: „fünfhundert Blatt unschuldiges Papier“. So hat die Weltkarriere des Günter Grass also begonnen. Mit dem Verlangen nach unschuldigem Papier.

Es ist interessant, sich angesichts des Todes dieses Schriftstellers – der sehr nahegeht – einmal auszumalen, auf wie viele verschiedene Weisen diese kleine Szene inzwischen gelesen worden sein mag. Mag sein, dass sie 1959, als die „Blechtrommel“ erschien, oder vielmehr: in der Literaturszene der Bundesrepublik einschlug, mitten in der als prüde verrufenen Adenauerzeit also, tatsächlich etwas sexuell Anzügliches und Provozierendes hatte; dass das Wort „unschuldig“ ausreichte, um Verkäuferinnen in Papierwarengeschäften zum Erröten zu bringen, erwähnt der Erzähler ausdrücklich.

Mag auch sein, dass die Szene, wie die ganze Rahmenhandlung des Romans, seit den siebziger Jahren, spätestens seit der Verfilmung durch Volker Schlöndorff, schnell überlesen worden ist. Man wollte dann halt rasch zu den deftig, sinnlich und mit dieser spezifisch Grass’schen Mischung aus Anziehung und Abstoßung, lebensprall geschilderten Szenen vordringen, für die die „Blechtrommel“ so berühmt geworden ist.

Die Szene mit dem Aal. Die kleinbürgerliche Enge in Danzig, während der Nationalsozialismus längst die Macht erobert. Die sprachlich zurückgenommene, aber gerade deshalb so eindringliche Schilderung der Reichspogromnacht: „Es war einmal ein Spielzeughändler, der hieß Markus …“ Das Brausepulver im Bauchnabel. Die Verteidigung der polnischen Post zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Dann auch noch das Fronttheater mitten im Krieg, zu dem Oskar und seine Blechtrommel zur Soldatenunterhaltung aufbrechen.

Ausmaß von Schuldfragen

Das alles war Literatur, mit dem Beiwort: große. Auch wenn er weltweit für seine Rolle als engagierter Schriftsteller berühmt war, hat er 1999 ganz zu Recht vor allem wegen solcher Szenen den Nobelpreis bekommen. Und es war immer auch mehr als nur Literatur. Es waren Möglichkeiten, darüber nachzudenken, was während des Nationalsozialismus eigentlich passiert ist. Und es waren Anlässe, sich als Nachgeborener in ein Verhältnis zu setzen zu den Verstrickungen, die zum Holocaust geführt haben. Solche Anlässe waren nötig, noch lange Zeit. Erst mit der Weizsäcker-Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes 1985 und mit der großen Wehrmachtausstellung 1995 hat man wirklich offen über das Ausmaß von Schuldfragen sprechen können.

Seitdem in der großen Öffentlichkeit bekannt wurde, dass Günter Grass Ende des Jahres 1944 Mitglied der Waffen-SS geworden ist, wie er es 2006 in seiner Autobiografie „Beim Häuten der Zwiebel“ geschildert hat, liest man die Szene mit dem unschuldigen Papier aber auch noch einmal anders. Vielleicht hat er gemeint, sich mit der „Blechtrommel“ aus den Schuldfragen heraus- und in die Unschuld des Papiers hineinschreiben zu können. Vielleicht musste er auch nur eine solche Illusion hegen, um mit dem Schreiben überhaupt anfangen zu können. Funktioniert hat es letztlich jedenfalls nicht – auch wenn es eine Zeit gegeben hat, in der Grass das vielleicht wirklich geglaubt hat.

Das war um das Jahr 1970 herum, als Deutschland endlich mehr Demokratie wagen wollte – woran Günter Grass als Wahlkämpfer für Willy Brandt einigen Anteil hat. Im November 1970 gibt Günter Grass ein aufschlussreiches Interview. Auf die Frage nach dem inneren Zusammenhang seiner Danziger Trilogie, zu der neben der „Blechtrommel“ die Novelle „Katz und Maus“ und der Roman „Hundejahre“ gehören, sagt Grass: „Alle drei Ich-Erzähler schreiben aus Schuld heraus, aus verdrängter Schuld, aus ironisierter Schuld, aus pathetischem Schuldverlangen, einem Schuldbedürfnis heraus.“

So rationalisiert kann man nur sprechen, wenn man meint, das Thema hinter sich gelassen zu haben, abgehakt. Wobei Krieg und Nazizeit als Bezugspunkt der eigenen Entwicklung präsent bleiben: Seine Generation, sagt Grass weiter, lebe „immer in dem Bewusstsein, zufällig zu leben, zufällig zu schreiben […]. Der Krieg hat als eine Art Gegenauslese eine Menge von Talenten und wahrscheinlich größeren Talenten, als wir alle es sind, fortgenommen.“

Das polternde Ego

Es gibt viele, gleichsam zur Grass-Folklore zählende Wahrzeichen, die sich mit der Zeit um diesen Autor angereichert haben und von wohlmeinenden Deutschlehrern ebenso weitergegeben wurden wie von seinen Gegnern, von denen es übrigens auf der linken Seite ebenso viele gab wie auf konservativer (was Grass selbst nie richtig verstanden hat, er dachte immer, wer gegen ihn ist, muss automatisch reaktionär oder konservativ sein): die Pfeife, der Schnurrbart, seine Knarzigkeit, sein polterndes Ego. Mit zunehmendem Alter hatte er eine Tendenz, eine Art Darsteller seiner selbst zu werden. Aber in solchen Äußerungen wie in diesem Interview hat man so etwas wie einen Kern dieses Schriftstellers. Als Stellvertreter größerer Talente schreiben zu müssen, die im Krieg gefallen sind: Aus solchen Äußerungen kann man eine große Traumatisierung herauslesen.

Doch das alles sieht er um 1970 herum eben hinter sich. „Die Gesellschaften sehen sich auf einmal mit Friedensproblemen konfrontiert“, sagt er in dem Interview, auf die Gegenwart der alten Bundesrepublik bezogen. Und weiter: „Die Fixierung auf den Kriegsfall, auf den Ernstfall beginnt langsam absurd zu werden.“ Friedensprobleme – damit meint er die Bildungsreform, die damals von der Politik angegangen wird. Und er meint die ökologischen Probleme sowie die Fragen von Gleichberechtigung und Frauenemanzipation, die er in seinen Romanen „Der Butt“ (1977) und „Die Rättin“ (1986) literarisch thematisieren wird.

Was von diesen beiden, inzwischen, wenn man mal ehrlich ist, schon wieder halb vergessenen Romanen aber bleiben wird – sind vor allem die Grünen. Es hat sich dann doch durchgesetzt, dass man solche Probleme im Nachgang der 68er Aufbrüche besser konkret politisch bearbeiten sollte. Den irgendwo auch paternalistischen Zug großer Schriftstellerfiguren, die den Anspruch erheben, die Probleme der Zeit in Romane gießen zu können, brauchte man nicht mehr. Die Gegenöffentlichkeit wollte sich teils nicht mehr so auf große, einzelne Männerfiguren zentralisieren, teils suchte sie sich neue Zentralfiguren: Petra Kelly, Joschka Fischer.

Unübersichtliche Gemengelage

Zur Alternativbewegung konnte Grass nie ein entspanntes Verhältnis aufbauen, den antiautoritären Gestus hat er niemals verstanden. Lieber hat er versucht, den politischen Autoritäten die literarische Autorität des engagierten Intellektuellen entgegenzusetzen, was spätestens in der komplizierten globalisierten Welt nach der Wiedervereinigung mehr als fragwürdig geworden ist.

Mit seinem großen Wiedervereinigungsroman „Ein weites Feld“ ist Grass dann auch nicht nur literarisch gescheitert. „Dieser Roman ist unlesbar“: Es war so etwas wie offene Majestätsbeleidigung, als die Kritikerin Iris Radisch das 1995 in der Zeit schrieb, aber sie hatte natürlich recht, auch intellektuell. Der unübersichtlichen Gemengelage aus Postdiktatur und wirtschaftlicher Übernahme, Identitätswandel und Geschäftemacherei, Aufbrüchen und notwendigen Übergängen war diese hölzerne Prosa nicht gewachsen.

Und dann holte ihn mit dem „Häuten der Zwiebel“ und der gewaltigen öffentlichen Debatte über seine SS-Mitgliedschaft die Vergangenheit und der Ernstfall von Krieg und Schuld wieder ein. Es gibt kein unschuldiges Papier.

Inzwischen muss man längst beides rekonstruieren: was Günter Grass literarisch so überlebensgroß hat werden lassen und warum so viele Menschen so vehement mit ihm als Figur verstrickt waren, auch in der Ablehnung. Was das Literarische betrifft, lohnt es sich, noch einmal „Katz und Maus“ zu lesen. Mit welchem selbstsicheren modernen Gestus der Erzähler da einen Anfang inszeniert, Möwen in den Himmel wirft und die Ostseelandschaft bei Danzig beschwört, das ist bis heute toll.

Viel Raum für andere

Allerdings sieht man auch, was von heute aus historisch an seinem Schreiben wirkt. In all seiner barocken Bildermacht hat er es vor allem mit Psychologie und mit widerstreitenden, ambivalenten Gefühlen nie groß gehabt. Für solche Autoren wie Peter Handke hat er viel Raum gelassen. Immerhin: Er hat auch ihren Boden bereitet. Und irgendwann wirkten dann Autoren wie Tolstoi und Proust sowieso wieder viel moderner als er.

Was die Verstrickung mit Günter Grass als öffentlicher Figur betrifft, ist es gut möglich, Familienkonstellationen aufzumachen. Für die anderen Großen der Nachkriegsliteratur war er so etwas wie ein großer, etwas lärmender Bruder, inklusive aller Platzhirschkämpfe, die mit ihm auszufechten sind. Max Frisch, Hans Magnus Enzensberger, auch Christa Wolf, auch Kritiker wie Marcel Reich-Ranicki, sie alle haben sich an ihm abgearbeitet, mit ihm gerangelt, sich aber manchmal auch hinter seinem breiten Rücken versteckt.

Und jemand wie ich beispielsweise, Jahrgang 1963, hatte mit ihm wahrscheinlich immer auch Vaterverstrickungen abzuarbeiten. Es war schon klar, dass die Wirklichkeit ohne ihn anders gewesen wäre und dass er dazu beigetragen hat, sie nach dem Krieg überhaupt lebbar zu machen. Aber bis zum Schluss konnte man sich auch wahnsinnig über ihn aufregen, etwa, als er in seiner späten Novelle „Im Krebsgang“ die Generation der Söhne als hilflose Weichlinge darstellte, die ohne die Hilfe seiner Generation nichts gegen die neuen Neonazis unternehmen würden (erzähltechnisch etwas komplexer ist es schon, aber nicht viel).

Günter Grass, das war bis zuletzt nicht einfach nur eine weltwichtige literarische Großvaterfigur oder auch ein Zeitzeuge. Er hat viel bewirkt, zum Teil auch in der Ablehnung. Und irgendwo ist auch eine Dankbarkeit dafür da, dass man nicht in seiner Haut stecken musste.

Auf vielen seiner Romane liegt schon ein bisschen der Staub. Aber als Gestalt, die über ihre Geschichten hinausgeht, wird er bei einem bleiben, in all seinen Widersprüchen.

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30 Kommentare

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  • Günter, Wilhelm Grass, am 16. Oktober 1927 in Danzig-Langfuhr, Freie Stadt Danzig geboren, am 13. April 2015 in Lübeck mit 87 Jahren verstorben, war im Zweiten Weltkrieg in der Zeit vom November 1944 bis zur bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 als 17jähriger Kinder- Soldat eines Waffenträgers des NS- Regimes.

     

    Günter Grass hat nie bestritten, noch verschweigen wollen.. dass er als missbrauchtes Kind Soldat eines Waffenträgers des NS- Regimes war.

     

    Nicht nur gegenüber Max Frisch hat Günter Grass in den 60er Jahren seine Waffen SS- Mitgliedschaft "Zunge zeigend" öffentlich zur Sprache gebracht, sondern u. a. in biografisch angelegten Interviews mit Klaus Wagenbach und dem Öffentlich- Rechtlichen Sender Radio Bremen.

     

    Entlarvt Günter Grass mit seinem biografisch angelegten Buch

     

    "Beim Häuten einer Ziebel" 2006

     

    nicht ungewollt jene, die, trotz der Wehrmachtsausstellung 1997/2007 des Hamburger Instituts für Sozialforschung (HIS), eine Debatte um Günter Grass Waffen- SS Mitlgiedschaft losgetreten haben, weil sie immer noch, wider besseres Wissen, zwischen angeblich "sauberen" Soldaten der Deutschen Wehrmacht und "dreckigen" Soldaten der Waffen SS unterscheiden wollen?

     

    https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/er-war-17-er-war-soldat

    JOACHIM PETRICK 19.04.2015 | 22:46

    Er war 17, er war Kinder- Soldat

    Günter Wilh. Grass Im Jahr 2006 bearbeitet Günter Grass in seinem Buch "Beim Häuten einer Zwiebel" seine Mitgliedschaft in der Waffen SS und entlarvt unser Denken, wenn ja, warum?

  • Alles, was es zu Grass zu sagen gibt, hat imo Friedrich Dürrenmatt schon 1980 gesagt:

    "Günter Grass hat mir sehr höflich den 'Butt' versprochen, aber er hat ihn dann nie geschickt, also brauchte ich ihn auch nicht zu lesen. Der Grass ist mir einfach zu wenig intelligent, um so dicke Bücher zu schreiben."

    • @Age Krüger:

      Mit dieser bekannten Einschätzung stand Dürrenmatt im Inner Circle nun wahrlich nicht allein - & das kann man wissen;

      auch das eine Wurzel seines ewigen Ramenterns und

      Wichtig-Wichtig-Gehabes.

      Um so mehr dachte ich - auhaurha - als ich hier was von Vaterfigur las.

  • „Als Schriftsteller überragte er die Literatur der Bundesrepublik, als streitlustiger Debattierer prägte er das politische Selbstverständnis des Landes. Günter Grass war eine der großen Figuren der jüngeren deutschen Geschichte.“ So nimmt der Spiegel Abschied von der ‚moralischen Großmacht‘ Günter Grass, der wie kaum ein anderer die ‚moralische Autorität‘ der BRD verkörpert hat; wie die TAZ schreibt ein "engagierter Schriftsteller". Was genau ist aber eine solche Autorität?

     

    Soll der moralische Diskurs einer bürgerlichen Öffentlichkeit ein gedeihlicher sein, muss der schöne Schein des Kapitalismus und der staatlichen Gewalt, die ihn verwaltet, verbindliche Ausdrucksformen finden. Sachbezogene Argumente kommen dafür nicht in Betracht. Es geht ja gerade darum, sich von objektiven Urteilen über das reale Gemeinwesen in Richtung erhebender Gesichtspunkte zu verabschieden, um auf diesen lichten Höhen Meinungen zu bilden und auszutauschen. Also werden Sprachregelungen eingebürgert, in denen die moralische Überhöhung von gegensätzlichen Interessen und politischen Antagonismen zu festen Formeln gerinnt. Das vermittelt dem Bürger Sinn und Orientierung und sorgt dafür, dass die moralische Meinungsvielfalt ihren Konnex zu den politisch definierten Problemen und Zielen der Nation nicht verliert.

     

    [...]

     

    Der ganze Artikel findet sich auf meinem Blog.

    • @KeinOrt:

      Geil, die alte marxistische Kulturkritik - es gibt sie noch. Alles, was den Klassengegensatz verschleiert und damit den Kommunismus wenn nicht verhindert, so doch verzögert, ist schädlicher und unnötiger Firlefanz.

      • @Ron Jeremy:

        ja, RTL und SAT1 sind überflüssig und alles was dem im Öffentlich-Rechtlichem ähnlich sieht.

         

        Das Paradies hingegen lässt sich immer nur für mehr oder weniger kurze Momente oder Zeit schaffen, die Arbeit dafür bleibt beständig.

  • 3G
    3784 (Profil gelöscht)

    Geschwurbelter Nachwurf.

    • @3784 (Profil gelöscht):

      Schöne Formulierung. ;-))

  • Ein Weites Feld

    Es gehört zu den bizarren moralisch-intellektuellen Pirouetten der bundesrepublikanischen veröffentlichten Meinung, dem 17-jährigen Günter Grass mit Getöse dessen dreimonatige Zugehörigkeit zu einer versprengten Einheit der Waffen-SS unter die Nase zu reiben, über die einstigen Spitzenpositionen in Hakenkreuz-Deutschland im reifen Mannesalter späterer Bundeskanzler, Bundespräsidenten, Bundesminister, Länderministerpräsidenten oder Arbeitgeberpräsidenten als Quantité négligeable großmütig hinwegzusehen. Dabei hatte Grass dies durchaus nicht verschwiegen, wie sondern bereits in den 60er Jahren öffentlich gemacht, etwa in biografischen Interviews mit Klaus Wagenbach und Radio Bremen. Das wurde aber erst dann ein Aufreger, als er beim autobiografischen Zwiebelhäuten selbst wieder daran erinnerte und damit seinen ewigen Gegnern die Vorlage bot, es dem politischen Querulanten endlich heimzuzahlen und ihm gehörig eins auf sein nonkonformistisches Maul zu geben. Aber das ist ein Weites Feld...

    • @Reinhardt Gutsche:

      Sorry - es geht nicht darum, ob und wie lange etc …

      auch der Hinweis auf Wagenbach/Radio Bremen hilft nicht weiter…

       

      lesen Sie einfach Louis Begley - 2 x

       

      http://m.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/grass-in-der-kritik-luegen-in-zeiten-des-friedens-1354800.html

       

      http://m.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/das-israel-gedicht-von-grass/louis-begley-ueber-guenter-grass-was-nicht-haette-geschrieben-werden-muessen-11712002.html

       

      insoweit macht es sich auch Dirk Knipphals mit Verlaub zu einfach;

      jedenfalls für mich als gerade noch Kriegskind.

      • @Lowandorder:

        Ja wie? Und weil jemand mit 17 aus heutiger Sicht einen Fehler machte muss man ihm das ewig nachtragen und in den Fokus nehmen? Ist das dann alles was die Person und sein Lebenswerk auszeichnete? Ich war nie ein Fan von ihm. Die Blechtrommel eher so eine Art Würg-Pflichtlektüre, meist dargeboten von moralapostolisch anmutenden "Wie-konnten-die-nur?"-Lehrern, die es wohl so leicht hatten darüber zu urteilen wie Leute heute. Wobei, es wird von Jahr zu Jahr krasser. Wenn Sie noch Kriegskind waren, ich nicht, dann kannten sie noch Leute die damals lebten. Und, so wird ja heute getan, das waren jetzt alles reißerische Bestien, deren höchste Freude es war Menschen zu vernichten, oder wie? "Thanks bomber Harris", das ist einfach krank und selbst faschistoid. Aus damaliger Sicht war sein Handeln nicht falsch. Im Nachhinein tut man sich leicht. Ich will nicht wissen wie über viele Gegebenheiten in 70 Jahren gedacht wird. Je nach zukünfiger Entwicklung ist es durchaus möglich dass es Würg-Bücher gibt und "oh, Gott. oh Gott, wie konnten die nur?" .

        • 7G
          7964 (Profil gelöscht)
          @fornax [alias flex/alias flux]:

          Es ist schon ein Unterschied ob jemand 1933 im allgemeinen Jubel Parteimitglied wurde oder ob jemand im Jahre 1944 zur Waffen-SS ging. Das ist kein jugendlicher Leichtsinn!

        • @fornax [alias flex/alias flux]:

          Es geht schlicht nicht um Nachtragen -

          siehe Bogley -

           

          Bomber-Harris dank meiner geistesgegenwärtigen Mutter -

          jedenfalls körperlich entgangen -

          sag ich mal - lesen Sie ansonsten

          zur causa GraSS

          "Schräges Licht" von Klaus Harpprecht;

          &u.a. - man entging den aggressiven Werbern der SS - indem man sagte, man habe sich als ReserveOffz. gemeldet -

          "das dürfte auch in Danzig bekannt gewesen sein".

           

          Egal - wie nach WK II damit umgehen?

          Girgensohn - SPD späterer KuMi NRW -

          oder - "es dem Friseur erzählen" - und den Moralprediger der Nation geben;

          sich skrupelos an NS-Opfer ranwanzen?

          Suchens sichs raus.

          • @Lowandorder:

            ich halt´s mit dem Mopedvergleich von Frau Rölke-Sommer. Ansonsten: die Leute heute sind keinen Cent besser als die damals.

      • @Lowandorder:

        was ich immer wieder erstaunsam finde: die häufung der unbefleckten empfängnis+geburt unter "gerade noch Kriegskind" und späteren kindern.

        • @christine rölke-sommer:

          a-gähn - 2.0

           

          Das mach ja sein -

           

          aber damit wir nicht aneinander vorbeireden -

          Sebastian Haffner& - auch -

          Rudolf Augstein " Sie hätten auch nicht anders gehandelt" - waren/sind mir sehr eingängig -

          & mit Kinder-Gewehr&Stahlhelm - schwarz-weiß-rot am Tannenbaum

          (Weihnachtsfoto) wären mein Bruder und ich auch wohl eher bei der

          Waffen-SS gelandet (obwohl mein Vater

          die Reiter-SS via TN umschifft hat);

           

          da mach ich mir nix vor -

          Nur - wenn - Sie Begley gelesen hätten/haben - könnte Ihnen klar sein,

          daß das obige/Ihre nicht die Fragestellung ist.

          An Augstein festgemacht -

          Das alles ist kein Grund -

          bis in die 70er - SD/SS-Leute

          an maßgeblicher Stelle im

          Spiegel zu beschäftigen.

          usw usf

        • @christine rölke-sommer:

          Nachklapp - ich sehs erst jetzt -

          Sie sinds;

           

          Karo einfach unterwegs - ist ja das eine;

          aber fugenbreitgrau pepita -

          frauman muß es mögen.

          • @Lowandorder:

            aha. technische nothilfe - mächtig elegante lösung, das.

             

            ich nehme mal an, Ihr herr vater war schon etwas erwachsener als 17.

            meiner war's nicht, sondern 2 jahre jünger als Grass - und irgendwann später ganz froh, dass seine mutter das problem durch (rechtzeitige) flucht von Marienwerder nach Meißen gelöst hatte.

            dabei, wie er sich immer mal wieder dieses froh-sein erarbeitete, hatte ich das vergnüchen, zuzuhören.

             

            ps: ich habe Begley gelesen. und könnte mir vorstellen, dass der nicht mag, wie Sie mit Ihrem TN-vater sich an ihn ranwanzen.

            • @christine rölke-sommer:

              letzteres - hä ? - wie wärs mal mit nem

              neuen Kompaß - oder die Windrose neu richten?

               

              TN - Nachfolg.org THW - war ne Streikbrecherorg. nach WK I. -

              als mein Vater03 das als Schüler erkannte - ging er nich mehr hin.

               

              Das mit pepita - war wohl doch zu

              euphemistisch - one-trick-ponys -

              echt langweilig.

              • @Lowandorder:

                wenig konsistent, Ihr vortrag.

                erst umschifft Ihr herr vater die reiter-ss via TN und dann ging er schon als schüler, der TN als streikbrecher-organisation erkannt hatte, nicht mehr hin...

                Ihr herr vater muß im lauf seines lebens immer jünger geworden sein.

                weshalb Begley ihm ganz sicher nicht die hand geschüttelt hätte.

                wie auch immer...

                mir geht auf die ovarien:

                leutz, die ihren opas heute nicht mehr die hand schütteln wollen, aber als 17-jährige gern den großväterlichen zuschuß zum moped genommen haben.

                vor dem hintergrund finde ich, dass man die empörung ruhig etwas selbst-kritischer ausfallen lassen dürfte.

                sonst bleibt nämlich von der ganzen schönen empörung nix anderes übrig als wut über die beschädigung einer 'vaterfigur', vulgo: eine narzisstische kränkung.

                und die ist, jedenfalls wenn in endlosschleife im kommentariat zu lesen, "echt langweilig".

                 

                ps: ich kenne mehr als einen Begley. und sag's mal so: der übt sich in ambiguitätstoleranz. was sich von Ihnen nur schwer sagen ließe.

                • @christine rölke-sommer:

                  "immer jünger geworden" - ich sach doch - one-trick-pony- nix ambigue -

                  nix - koncise -

                   

                  Versuchen Sie mal - so wie ming Ohl -

                  um die Ecke zu denken -

                  Tipp - Ausweis & Däh!

                   

                  Begley - keine Ahnung -

                  er spricht von der Generation Grass -

                  Denn Ohl03 beschädigen?

                  Nix gegen ihre Ovarien -

                  aber ich habe in meinem

                  fortgeschrittenen Leben -

                  ganze zwei wirklich gütige Menschen erleben können - einer - er.

                  Wer eine Vielzahl von Menschen aus zerbombten Häusern - bis hin zu errunken im geschmolzenen Käse gerettet hat; der Röstbücher gefälscht hat, um Menschen vorm Galgen zu retten (hab ich erst viel später kapiert: welches Risiko)

                  &zwei Banausen wie uns mit uns Mouder humorvoll Bojenwerfend ins Leben geschickt hat -

                  Sorry - vor denen zieh ich den Hut.

                   

                  (Ps Ihr manichäischer Rigorismus -

                  reine Eigenspiegelung).

                   

                  Ende des Vorstehenden.

                  • @Lowandorder:

                    "manichäischer Rigorismus" ist denen, darunter auch Ihro höchstselbigkeit, zu attestieren, welche Grass ganz höchstpersönlich übelnehmen, bis zum jahr 1999 im werk nie irgendwo auch nur die kleinste autobiographische notiz zur 'mitgliedschaft in der SS' hinterlassen zu haben.

                    darum geht's.

                    dass es fein säuberlich in seiner akte vermerkt war, dass er ja darüber sprach... gesprochenes ist ja so flüchtig und Erich Fried war sein friseur, wa.

                    leider kann ich den Erich dazu nicht mehr fragen und den Franz auch nicht, erst recht nicht die nie gekannte großmutter, die in masurischen wäldern partisaninnen kundig entband... na ja, vielleicht ja in ha'olam ha'ba....

                     

                    falls Sie's noch nicht begriffen haben: nur kleingeister glauben, sie könnten irgendwelche autoritäten oder dergleichen beschädigen. völlig überflüssig, dieser glaube. auch autoritäten oder wer dafür gehalten wird sind schon beschädigt. wie Sie und ich auch. lange, bevor irgendwelche nachkommen zum 'bildersturm' anlauf nehmen.

                     

                    im übrigen: wenn ich mir so die heute wiederbelebte empörung begucke, dann komme ich nicht umhin, an Beate Klarsfeld zu denken. und vermute mal: die heute empörten sind die kinder+enkel derer, die sich '68 darüber empörten, dass diese frau den bundeskanzler Kiesinger ohrfeigte - wie konnte sie nur? den bundeskanzler?!

                     

                    ich denke, das ist das, worüber nachzudenken gilt: die empörung am falschen, verschobenen objekt. und ob und wie solchen verschiebungen endlich ein ende gemacht werden kann.

                     

                    ps: zum "Ende des Vorstehenden" fällt mir feministisch-theologisch bewanderter häßlichen alten einiges ein. ich laß es ungeschrieben. es täte den thread sprengen.

                    • @christine rölke-sommer:

                      "…ps: zum "Ende des Vorstehenden" fällt mir feministisch-theologisch bewanderter häßlichen alten einiges ein. ich laß es ungeschrieben. es täte den thread sprengen."

                       

                      Mag sein - is aber nur eine spöttische Reminiszenz an Flann O' Brien.

                       

                      &Ihre Bleiwüste - So what!

                      Beate Klarsfeld - zum Niederknien -

                      &als ich den Film unlängst über

                      Klaus Barbie's "Heimholung" einschl.

                      Serge Klarsfeld erste Versuche und die vielen Orginalaufnahmen sah - dachte ich - solche Menschen mit solchen Vergangenheiten auf beiden Seiten der beteilgten Länder - wo wären sie bei uns?

                      Und ein JuMi - der im Anspann sagt - ich habe erst durch die Akten erfahren, daß Klaus Barbie den Tod meines Vaters verantwortet - und nach dem Krieg für die Abschaffung der Todesstrafe eingestanden - und Barbie einer der ersten, der davon profitiert -

                      Ich bedaure es nicht."

                       

                      Aber - was Sie reitet - who knows!

                      • @Lowandorder:

                        & nochens -

                         

                        "…ich denke, das ist das, worüber nachzudenken gilt: die empörung am falschen, verschobenen objekt. und ob und wie solchen verschiebungen endlich ein ende gemacht werden kann.…"

                         

                        Ja - genau - mein Reden seit 33 -

                         

                        Aber wie solls gelingen -

                        wenn frauman solch aufgeblasenen

                        Scheinriesen für eine Autorität hält¿

                        • @Lowandorder:

                          ich las sowieso Bobrowski lieber.

                          bloß halt, dass sich über den und sein "arschloch hoch Amerika" kein aas erregte.

                          • @christine rölke-sommer:

                            Fein. & Letzteres is bei einem aus

                            Sinn & Form & noch weiter aus dem Osten ja auch nicht soo verwunderlich;

                            umso mehr aber… - egal, wenns Lenz wäre, das ja.

                            • @Lowandorder:

                              "noch weiter aus dem Osten"

                              ich werd mein lebtag nicht verstehen, weshalb der grßvater unbedingt deutscher werden wollen mußte.

                              hätt' der nicht pole bleiben können? oder noch was "noch weiter aus dem Osten" werden?

                              • @christine rölke-sommer:

                                mal die drei Romane von Janosch lesen -

                                & Der Geliebte der großen Bärin -

                                Sergiuz Piasecki

                                so die Richtung;)

                                 

                                &W.B. "… schön ist es auch anderswo -

                                und hier bin ich sowieso …"

                                • @Lowandorder:

                                  als nächstes kommt dann wohl ne kochbuchempfehlung, wallah!

                                  • @christine rölke-sommer:

                                    Sol lucet omnibus - 3.0

                                     

                                    Na klar - xtra für Sie -

                                    Zum Schälen der Zwiebel

                                     

                                    (Ps Das Haus auf meinen Schultern -

                                    Dieter Forte -

                                    kannten die Schredderistas wohl nicht;)