: Nachrichtensperre über Stahl-“Scherbenhaufen“
■ Streng vertraulich verhandeln Klöckner-Vorstand und Senat um die Hütte / 4000 bleiben - bestenfalls
Gestern morgen hat der Klöckner-Vorstand den Bremer Senat streng vertraulich über seine Gespräche in der Duisburger Konzernzentrale unterrichtet. „Zur Zeit redet jeder mit jedem — keinerlei Verhandlungen sind bisher beschlossen oder abgeschlossen“, erklärte der Bremer Klöckner-Vorstandsvorsitzende Jürgen Großmann später vor Journalisten. „Der Verhandlungsdruck ist da — zur Zeit verdient keiner in Europa mit Stahl Geld — das ist aber keine Frage von Tagen oder Wochen, eher von Monaten.“
Klaus Hilker, Klöckner-Controller im Vorstand, wurde etwas konkreter: Sogar unter der Voraussetzung, daß die Hütte so weiter besteht wie sie ist, müßte die Zahl der bezahlten Arbeitskräfte von derzeit ca. 6000 auf „deutlich unter 4.000 Leute“ gedrückt werden. „Das ist durch technische Veränderungen machbar.“
Als „Scherbenhaufen“ hat derweil der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Ruprecht Vondran, die Lage bezeichnet. „Selten zuvor hat es eine Anhäufung so vieler Probleme zu gleicher Zeit gegeben.“
Klöckner hatte insbesondere
in Bremen in den 50er und 60er Jahren in Erwartung einer ständig steigender Stahl-Nachfrage seine Kapazitäten auf- und ausgebaut. 1975, als das integrierte Stahlwerk dastand, war die Stahlkrise dann in aller Munde: Der Boom setzte sich nicht fort, und die Schwellenländer betrachteten den Aufbau eigener
Stahl-Kapazitäten als Prestige- Angelegenheit. Der Klöckner- Konzern beschnitt die Dividenden und begann sich zu diversifizieren — heute ist sind der Kunststoffbereich und der Maschinenbau für den Konzern weit wichtiger als die Stahlproduktion.
„Klöckner ist Symbol der ge
scheiterten Wachstums- und Industrieansiedlungspolitik“, hatte in einer Landtagsdebatte zur damaligen Klöckner-Krise 1983 der grüne Abgeordnete Willers erklärt und daran erinnert, daß in den 50er Jahren immerhin eine Viertelmillion Subventionen gezahlt wurden, um die Stahlproduktion nach Bremen zu holen. Nicht eingerechnet dabei ist der Dumping-Preis, für den Klöckner damals 10 Quadratkilometer erwerben konnte — heute kauft der Bremer Senat ein Zehntel davon, 95 Hektar, für 45 Millionen zurück. Auf der Bremer Hütte lastet dazu ein Schuldenberg, der zwischen zwei und vier Milliarden geschätzt wird.
1985 war die Klöckner-Hütte wieder in den Schlagzeilen. „Nur der Verbund mit Krupp kann Klöckner retten“, schrieb die „Wirtschaftswoche“ und spottete über die Bilanzakrobatik des damaligen Vorstands-Chefs Gienow. Die Verhandlungen scheiterten, Krupp fusionierte mit Hoesch. Neben diesem Komplex und Thyssen stellt die Bremer Hütte eine kleine Randerscheidung auf dem deutschen Stahlmarkt dar, der Wettbewerbsvorteil der Küstennähe hat kaum noch Bedeutung.
120 Milliarden, so summiert der heutige Stahl-Präsident Vondrach, sind in den späten 70ern und frühen 80ern in „nicht mehr lebensfähige Kapazitäten“ gesteckt worden. Dies kann und würde heute niemand mehr machen. Etwas hilflos klingt es deshalb, wenn die Bremer Klöckner-Vertreter heute auf ihre weiteren Investitionsprogramme verweisen, mit denen der Konzern in vergangenen Krisenjahren die Flucht nach vorn angetreten ist.
Gesamtstahl-Präsident Vondrach sieht nur folgende Alternative: „Entweder es gelingt, den Unternehmen in der nur noch begrenzt zur Verfügung stehenden Zeit, die notwendigen konkreten Vereinbarungen zur Kapazitätsbereinigung zu treffen oder ihre Bemühungen werden scheitern.“
Ob es der holländische Hoogovens-Konzern ist, der die „Kooperation zur Kapazitätsbereinigung“ mit Klöckner schließen wird, ist dabei noch offen. Hoogovens selbst steht nämlich auch einigermaßen angeschlagen da. Auch halbstaatliche italienische Stahl-Konzern Finsider und British Steel könnten Interesse haben. Klöckner-Vorstand Großmann: „Wir werden in jedem Fall mehrere Alternativen vorlegen — bis dahin ist alles Spekulation und muß auch Spekulation bleiben.“ K.W.
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