Nachrichten in der Coronapandemie: Schlagermove und Unkenruf
Die Infektionszahlen steigen, Lauterbach warnt vor „schwerem“ Corona-Herbst, und in Hamburg findet der erste „Karneval des Nordens“ seit Pandemiebeginn statt.
Umfrage: Fast die Hälfte der Deutschen will strengere Regeln
Einer Umfrage im Auftrag der Augsburger Allgemeine zufolge will fast jeder zweite Bundesbürger eine zügige Verschärfung der geltenden Corona-Maßnahmen. 49 Prozent der 5.002 repräsentativ ausgewählten Befragten sprachen sich für umgehend strengere Vorschriften aus, 43 Prozent waren dagegen, acht Prozent unentschlossen. Das Meinungsforschungsinstitut Civey hatte am 29. und 30. Juni die Teilnehmer gefragt: „Sollten die aktuellen Corona-Maßnahmen Ihrer Meinung nach aufgrund der steigenden Infektionszahlen umgehend verschärft werden?“
Bei den über 65-Jährigen forderten mit 62 Prozent sogar fast zwei Drittel der Befragten, rasch schärfere Corona-Maßnahmen einzuführen – bei den unter 50-Jährigen sind mehr als die Hälfte dagegen. Civey zählt für seine repräsentativen Umfragen nach eigenen Angaben nur die Stimmen registrierter und verifizierter Internetnutzerinnen und –nutzer, die Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angegeben haben. Die Stimmen werden laut dem Institut nach einem wissenschaftlichen Verfahren gemäß der Zusammensetzung von Deutschlands Bevölkerung gewichtet. (epd)
Sieben-Tage-Inzidenz bei 696,5
Das Robert Koch-Institut (RKI) hat die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz am Samstagmorgen mit 696,5 angegeben. Am Vortag hatte der Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche bei 682,7 gelegen (Vorwoche: 632,9; Vormonat: 221,4). Allerdings liefert die Inzidenz kein vollständiges Bild der Infektionslage. Experten gehen seit einiger Zeit von einer hohen Zahl nicht vom RKI erfasster Fälle aus – vor allem weil bei weitem nicht alle Infizierte einen PCR-Test machen lassen. Nur positive PCR-Tests zählen in der Statistik. Zudem können Nachmeldungen oder Übermittlungsprobleme zu einer Verzerrung einzelner Tageswerte führen.
Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI zuletzt 98.669 Corona-Neuinfektionen (Vorwoche: 89.336) und 103 Todesfälle (Vorwoche: 84) innerhalb eines Tages. Vergleiche der Daten sind auch hier wegen des Testverhaltens, Nachmeldungen oder Übermittlungsproblemen nur eingeschränkt möglich. Generell schwankt die Zahl der registrierten Neuinfektionen und Todesfälle deutlich von Wochentag zu Wochentag, da insbesondere am Wochenende viele Bundesländer nicht ans RKI übermitteln und ihre Fälle im Wochenverlauf nachmelden.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 28.392.629 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. (dpa)
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Lauterbach befürchtet „schweren“ Corona-Herbst
Deutschland steuert nach Einschätzung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schon bald auf eine deutliche Verschärfung der Corona-Lage zu. „Wir stehen vor schweren Wellen im Herbst und im Winter“, sagte Lauterbach im ZDF-„heute journal“. Er versprach nach Vorlage eines Expertengutachtens Tempo bei der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes. Im Frühjahr waren die Bestimmungen stark zurückgefahren worden, die jetzige bundesweite Rechtsgrundlage läuft am 23. September aus.
Einen Lockdown wie zu Beginn der Pandemie schloss Lauterbach im ZDF aus: „Das würden wir nicht wiederholen.“ Es könne aber sein, dass die eine oder andere Maßnahme wieder sinnvoll sei. Details wollte Lauterbach mit Hinweis auf vertrauliche Verhandlungen mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) nicht nennen. Sie hätten mit einem anderthalbstündigen Gespräch am Freitag bereits begonnen. „Ich glaube, wir werden schnell sein“, betonte Lauterbach jedoch. In den nächsten Wochen werde man ein gutes Infektionsschutzgesetz vorbereiten. (dpa)
Kommunen fordern Rückkehr kostenloser Bürgertests
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert eine baldige Wiederaufnahme der kostenlosen Corona-Bürgertests. „Wir gehen davon aus, dass spätestens im Herbst, wenn die nächste große Corona-Welle droht, es wieder flächendeckend unentgeltliche Tests geben muss“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die kostenlosen Schnelltests seien ein wichtiger Baustein für die Pandemie-Bekämpfung. Seit Donnerstag gibt es kostenlose Tests nur noch für Risikogruppen und andere Ausnahmefälle. Ansonsten sind drei Euro Zuzahlung fällig. (dpa)
Dürr: Länder sollten bei Corona nicht nur nach Bund rufen
Angesichts der steigenden Corona-Infektionszahlen und der befürchteten Herbstwelle hat FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr den Ländern vorgeworfen, immer nur nach dem Bund zu rufen, aber selbst zu wenig zur Vorbeugung zu tun. „Die rufen oft nach freiheitseinschränkenden Maßnahmen, aber bereiten sich selbst organisatorisch nicht auf die Herbst-/Winterwelle vor“, sagte Dürr am Samstag im Deutschlandfunk.
Dürr gab zu: „Corona ist sehr gefährlich, und Corona bleibt wahrscheinlich für immer.“ Und: „Es wird wieder eine Welle geben.“ Die Bundesländer drängen deshalb quasi geschlossen darauf, frühzeitig vor dem Herbst bundesweite Regelungen zu treffen, nachdem die meisten auf Drängen der FDP ausgelaufen waren und auch der weiter geltende Rechtsstatus für Basis-Schutzmaßnahmen Mitte September ausläuft.
Dürr sieht dafür aber keinen großen Zeitdruck, weil dies nach seinen Worten sehr schnell geschehen könnte. „Der Deutsche Bundestag hat das innerhalb weniger Tage geschafft, solche Maßnahmen zu beschließen. Also für einen worst case sind wir auch jetzt schon vorbereitet, selbst im Sommer, wenn was passieren würde.“ Bestimmte Maßnahmen schloss er aber kategorisch aus: „Die Lockdowns, die können nicht wiederkommen, die Ausgangssperren, auch Schulschließungen dürften kein Instrument mehr sein, das wir flächendeckend nutzen.“
Die FDP sieht sich in ihrem Bremsen auch dadurch bestätigt, dass die von der Regierung beauftragten Sachverständigen sich teils außerstande sehen, die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen zu bewerten. „Wenn diese Maßnahmen nicht nachweisbar wirksam sind, dann muss der Rechtsstaat sich zurückhalten. Der Rechtsstaat kann nicht einfach in Freiheitsrechte eingreifen“, erklärte Dürr. Der Sachverständigenrat hatte in seinem am Freitag vorgelegten Bericht festgehalten, dass bei einigen Maßnahmen wie Schulschließungen die Wirkung nicht bewertet werden kann, etwa weil es an Daten fehlt oder sich verschiedene Vorkehrungen überlagert haben, so dass der einzelne Effekt nicht klar messbar ist. (dpa)
Ärztekammer fordert „Runden Tisch“ zum Jugendschutz
Als Reaktion auf das Gutachten der Corona-Sachverständigen mahnt die Bundesärztekammer für den Herbst eine gezielte Schutz-Strategie für Kinder und Jugendliche an. „Wir brauchen jetzt einen Runden Tisch von Gesundheits- und Kultusministern sowie mit Ärzten, Pädagogen und anderen wissenschaftlichen Disziplinen, um eine tragfähige Corona-Strategie für Schulen und Kitas zu entwickeln“, sagte Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe.
Es sei bedenklich, dass die Auswirkungen von Schulschließungen auf das Infektionsgeschehen kaum wissenschaftlich belegt seien. Dagegen zeigten zahlreiche Studien deutlich die massiven psychischen und körperlichen Folgen von sozialer Isolation für Kinder und Jugendliche. „Wechselunterricht und Schulschließungen dürfen, wenn überhaupt, nur die Ultima-Ratio sein“, unterstrich der Bielefelder Mediziner. (epd)
Erster Hamburger Schlagermove seit Corona
Zum ersten Schlagermove seit Beginn der Coronapandemie werden bis zu 500.000 Schlagerfans in Hamburg erwartet. Beim „Karneval des Nordens“ zieht am Samstag ein bunter Konvoi durch die Hansestadt, wie die Veranstalter mitteilten. Von 47 geschmückten Trucks sollen die größten deutschen Schlager-Hits schallen.
Unter anderem fährt Sängerin Anni Perka mit, die sich als Helene Fischer-Double einen Namen gemacht hat und inzwischen mit eigenen Songs erfolgreich ist. „Ich freue mich auf einen herrlichen Sommertag in meiner Heimatstadt mit ganz viel Schlager und bunten Klamotten“, sagte sie.
Die rund drei Kilometer lange Rundstrecke führt über die Helgoländer Allee, an den Landungsbrücken vorbei, über die Hafenstraße und den Pepermölenbek auf die Reeperbahn. Bei einer Warm-Up-Party am Heiligengeistfeld wurde am Freitagabend mit Schlagersänger Olaf Henning und seinem Hit „Cowboy und Indianer“ bereits ordentlich gefeiert.
Die Kultveranstaltung gibt es seit 1997. Bei der 23. Ausgabe des Schlagermove im Sommer 2019 zählten die Veranstalter eigenen Angaben zufolge rund 350.000 Besucher in Hamburg. (dpa)
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