Nachnutzung Tempelhofer Feld: Viel Lärm ums Nichts
In der Bürgerinitiative für ein unbebautes Tempelhofer Feld gibt es Streit - der Gründer hat die Gruppe verlassen. Die will trotzdem ein Volksbegehren starten.
Das Tempfelhofer Feld retten – und zwar das Ganze. Dieses große Ziel hat die Aktivisten der Bürgerinitiative „100% Tempelhofer Feld“ seit rund eineinhalb Jahren vereint. Doch kurz vor dem entscheidenden Schritt, dem Start des Volksbegehrens im September, gibt es Streit: Der Gründer der Initiative, Lothar Köster, hat die Gruppe verlassen. Mitglieder betonen zwar Geschlossenheit und gegenseitige Achtung. Dennoch befürchten einige die Spaltung.
Was ist passiert? Ende Juli hat die Bürgerinitiative einen Gesetzentwurf bei der Senatsinnenverwaltung eingereicht – ein notwendiger Schritt, bevor ein Volksbegehren gestartet werden kann. Der Entwurf formuliert einen Vorschlag, um das ehemalige Flughafenfeld in seiner jetzigen Form zu bewahren – mit kleinen Einschränkungen. Deshalb ist er umstritten: In einem früheren Entwurf war noch ein komplettes Bauverbot gefordert worden. Dieses aber sei nicht vereinbar mit dem Berliner Gesetz, sagt Hermann Barges.
Barges ist der Vorsitzende des Vereins „Demokratische Initiative 100 % Tempelhofer Feld“, der aus organisatorischen Gründen im Juni gegründet wurde und aus der Bürgerinitiative hervorging. Auch Verwaltungs- und Baujuristen bestätigten, dass eine reine „Negativplanung“ laut Baugesetzbuch verboten ist. Damit das Anliegen der Gruppe nicht scheitert, reichte der Verein also Ende Juli einen neuen, offeneren Entwurf ein. Demnach sollen auf den äußeren Wiesen unter anderem Bänke, Rasenportflächen oder auch sanitäre Anlagen gebaut werden dürfen.
Lothar Köster, dem Gründer der Gruppe, geht das jedoch zu weit: In einer öffentlichen Erklärung rechnet er nun mit der Initiative ab. Auf der Website wirft er dem Verein die „teilweise Zerstörung“ des Feldes vor. Durch dieses „Wunschgesetz von kommerziellen Lobbies“ würden höchstens 80 und keine 100 Prozent des Felds mehr geschützt. Köster ist sicher: Die Nutzung der Außenflächen ist nur der Anfang – danach geht es mit der Wohnbebauung weiter. Er will dem Verein deshalb bis auf weiteres die Verwendung des von ihm geprägten Namens „100% Tempelhofer Feld“ verbieten.
Seinen zunächst eingereichten Gesetzentwurf hat er allerdings zurückgezogen, um den neuen Entwurf nicht zu blockieren. Derarte Mittel wolle er nicht nutzen, sagte Köster, um den Konflikt „ehrenhaft“ und in gegenseitiger Achtung auszutragen. Wie viele Aktivisten seine Kritik teilten und wer sich ihm anschließe, würden die nächsten Wochen zeigen. Für Köster, der direkt am Feld wohnt, ist es ein Paradies, das erhalten werden muss – ohne Kompromiss.
Nicht einmal zwei Kilometer weiter wohnt Vereinschef Hermann Barges. Auch der Landschaftsarchitekt, der sich schon in den 1970er Jahren mit dem Feld beschäftigte, gerät ins Schwärmen, wenn er davon erzählt. Auch Barges will keinen Designerpark oder ein völlig zugebautes Feld. Den Streit mit Köster hält er für „unglücklich“. Vorwürfe, dass der neue Gesetzentwurf im Geheimen erarbeitet worden sei, weist er zurück. „Wir laden Herrn Köster zur Diskussion ein“, sagte Barges der taz. Ein öffentlich ausgetragener Streit könnte dem Ziel schaden, überhaupt Freiflächen auf dem Feld zu erhalten – das wollen beide Parteien vermeiden.
Denn die Initiative will weiter machen: Nächsten Monat soll trotz allem mit der Sammlung der Unterschriften begonnen werden. Für den Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens werden mindestens 20.000 davon benötigt. Am Sonntag sollen außerdem Papphäuser am Tempelhofer Damm aufgestellt werden. Als Warnung für die Besucher: So könnte es einmal aussehen, wenn die Intiative scheitert
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