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Nachhaltigkeit beim Protest gegen rechtsRückenwind durch Migration

Der Kampf gegen die AfD braucht einen langen Atem. Gelingen kann er, weil Millionen Menschen in Deutschland direkt mit Migration zu tun haben.

Gemeinsam gegen rechts: Demo am vergangenen Wochenende in Hamburg Foto: dpa | Jonas Walzberg

S eit der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche „Geheimplan gegen Deutschland“ habe ich online und in meinem Umfeld sehr unterschiedliche Reaktionen wahrgenommen. Einige Menschen, die ich kenne, haben Angst und überlegen, ob und wann sie Deutschland verlassen sollen. Das sind Menschen mit Migrationsgeschichte, Muslime und Muslimas, oder Familien mit Kindern mit Behinderungen.

Andere – vor allem junge Menschen, Generation Z – machen witzige TikTok-Videos über das Thema. Eine junge Frau fragt sich, ob sie noch für ihre Klausuren lernen soll, wenn sie doch abgeschoben werden soll. Eine andere erzählt, wieso sie sich auf das Wetter in Nordafrika freut und sowieso keine Lust auf Steuern in Deutschland hatte.

Es gibt aber auch die Menschen, die hierbleiben möchten, weil sie keinen anderen Ort haben, an den sie gehen können. Ich gehöre zu dieser Gruppe. Ich kann nicht in mein erstes Heimatland Syrien zurück und die Länder, die an Syrien grenzen, wollen Geflüchtete wie mich nicht. Und nach Dubai oder Riyadh ist es leider zu kostspielig.

Ehrlich gesagt war ich nicht sehr überrascht von den aufgedeckten Geheimplänen. Die AfD gibt seit Jahren uns Mi­gran­t*in­nen und Geflüchteten die Schuld an allem in Deutschland und Europa. Die Rechtsextremen, die auch bei dem geheimen Treffen dabei waren, sowieso. Sie verwenden die einfachste und populistischste Sprache über das Thema Migration, sie argumentieren immer ohne Kontext oder Fakten. Auch dass sie keine echten Lösungen anbieten, ist nichts Neues.

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40 Millionen werden zusammenhalten

Nachdem ich die Recherche gelesen hatte, habe ich mich auch gefragt, ob sie einen Unterschied für die Menschen macht, die die AfD wählen. Werden wir in den Umfragen bald eine Veränderung sehen? Ich denke, wir brauchen neben wichtigen Recherchen auch einen langen Atem, um die AfD zu schwächen. Ein Parteiverbot oder das Entziehen von Grundrechten dauert zwar lange, ist aber keine nachhaltige Lösung. Die AfD-Politiker*innen, -Wäh­le­r*in­nen und -Un­ter­stüt­ze­r*in­nen könnten doch morgen eine neue Partei gründen.

Der Kampf gegen diese Partei sollte sich nicht gegen die Menschen, sondern gegen die Ideen und Theorien richten, die sie verbreiten. Wir brauchen neue und gute Politiker*innen, die viele Bürgerinnen und Bürger erreichen können, mit Fakten und nicht mit populistischer Rhetorik. Unsere jetzigen Po­li­ti­ke­r*in­nen sollten die Probleme erkennen und kreative Lösungen vorschlagen, statt einfach die Schuld auf Mi­gran­t*in­nen zu schieben. Unsere Diskussionen – und auch unsere Medien-Titelblätter – sollten nicht im Stil der AfD geführt werden. Es bleibt die Aussage des ehemaligen CSU-Innenministers im Gedächtnis: „Integration ist die Mutter aller Probleme in Deutschland.“

Die guten Nachrichten, für mich und für viele Menschen in Deutschland, waren die vielen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus im ganzen Land. Bei der ersten Demo hier in Hamburg waren wohl mehr als 50.000 Menschen, einige Berichte sprechen von über 100.000 Teilnehmer*innen.

Ich stand am besagten Demo-Freitag zu weit weg von der Bühne, also konnte ich nichts hören. Aber ich sah ein junges Mädchen, das ein Schild hochhielt, auf dem stand: „my mother is a migrant“.

Da habe ich verstanden, dass so viele Menschen nicht nur auf die Straße gehen, weil sie für die Demokratie sind, sondern auch, weil sie persönlich betroffen sind. Migration betrifft auch ihre Familien und Freund*innen. In Hamburg hat jedes zweite Schulkind einen sogenannten Migrationshintergrund und diese Familien und deren Freunde zeigen jetzt, dass sie nicht schweigen werden. Das haben die AfD und ihre rechtsextremen Netzwerke nicht begriffen.

Wir Mi­gran­t*in­nen haben hier in Deutschland Leben aufgebaut, wir haben hier geheiratet, unsere Familien gegründet, Freunde gemacht, Nachbarinnen und Kollegen gefunden. Diese Menschen haben vielleicht nicht alle selber Migrationsgeschichte, aber sie sind Teil unserer Kreise und wir gehören auch zu ihren. Wenn man das beziffern kann, sind es doch weit über 40 Millionen Menschen. Und diese werden zusammenhalten und zeigen die Realität: Deutschland hat Migrationsvordergrund.

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1 Kommentar

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  • Ich glaube, die 40 Millionen sind zu tief gegriffen - zum Glück!

    Wer in einer Mittel- oder Großstadt (inklusive Speckgürtel) lebt, hat in Deutschland eigentlich immer zumindest auf der Arbeit oder in der Nachbarschaft Kontakt mit Menschen mit Migrationshintergrund. Das sind mehr als 60 Millionen. Zumindest 80% davon dürften auch Einwanderern gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen sein und engere persönliche Kontakte haben, wenn auch da bestimmt Schattierungen bestehen, wie viel Migration als "gut" angesehen wird.

    Und von denen, die auf dem Land leben, sind es immer noch bestimmt die Hälfte.

    Ich glaube daher, dass die AfD (und alle ihre möglichen Koalitionspartner, wie die WerteUnion) bei Wahlen eine "harte" Obergrenze von 25-30% der Deutschen hat. Nur regional in sehr ländlich geprägten Gebieten, wo eben wegen geringeren Kontakten Vorurteile sich hartnäckiger halten können, kann dieses Potenzial bis auf etwa die Hälfte ansteigen, nirgendwo jedoch deutlich drüber.