Nachhaltige Reisen in der Schweiz: Viele Sterne war gestern
In der Schweiz erwarten einen viele Berge. Doch auch nachhaltiges Reisen geht dort gut – nicht nur wegen des starken öffentlichen Verkehrs.
In Zermatt habe ich Glück. Mein Zimmer mit Blick auf das Matterhorn ist „das schönste im Haus“, wie mir die junge Frau an der Rezeption versichert. Die anderen Zimmer, ob mit zwei, drei oder vier Betten, sind mönchisch einfach, äußerst schlicht, kein spektakuläres Panorama veredelt sie.
Die Schweizer Jugendherbergen sind Teil unseres Reiseprogramms zu nachhaltigen Ansätzen in der Schweiz. Eine Nachhaltigkeitsinitiative von Schweiz Tourismus, auch eine Marketingaktion: Swisstainable. Das Label steht für den Zeitgeist und Nachhaltigkeitsinitiativen in Häusern von Jugendherbergen bis zu Luxushotels. Zehn Journalisten aus der ganzen Welt wurden zu dieser Reise eingeladen.
„Die Schweizer Jugendherbergen bringen frischen Wind in ihr kulinarisches Angebot. Die neue Linie ‚Yoummi‘ legt den Grundstein für eine neue gastronomische Zukunft. Ausgewogen und abwechslungsreich, nachhaltig und bezahlbar“, so eine Präsentation der Schweizer Jugendherbergen. Dreigangmenüs jeweils in veganer, vegetarischer oder auch Fleisch-Variante sowie immer auch gluten- oder laktosefrei. Und – das sollte man in der Schweiz nicht verachten – bezahlbar. In der Tat sind die Jugendherbergen in der sehr teuren Schweiz eine Alternative für den kleinen Geldbeutel. Übernachten kann dort jeder. Und es gibt auch Einzel- oder Doppelzimmer.
Der Verein Schweizer Jugendherbergen ist Mitglied des Dachverbandes Hostelling International. Es gibt über 51 Betriebe (davon 6 Franchisebetriebe) mit 6.116 Betten. Manche Unterkunft bietet spezielle Zimmer, eine tolle Lage oder Extraservices. Einige befinden sich in historischen Gebäuden, liegen günstig für Ausflüge oder bieten tolle Panoramen oder sogar Wellnessangebote. Für alle gilt: Das Frühstück ist inklusive, eine Mitgliedschaft im Verein Pflicht. Tagesmitgliedschaften sind für umgerechnet 6,47 Euro erhältlich, es gibt auch Jahreskarten.
Schweizer Jugendherbergen Informationen, Buchungen und Preise zu den Schweizer Häusern www.youthhostel.ch/de
Swiss Travel Pass Reisende können drei, vier, acht oder 15 Tage lang die Schweiz mit Bahn, Bus und Schiff erkunden. In den Premium-Panoramazügen Glacier Express, Bernina Express, Gotthard Panorama Express sowie im Postauto Palm Express ist eine Platzreservierung und/oder ein Zuschlag erforderlich. Der Swiss Travel Pass ermöglicht zudem kostenlose Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel in mehr als 90 Schweizer Städten und 50 Prozent Ermäßigung bei den meisten Bergbahnen. www.myswitzerland.com
Ob in Sankt Moritz, Scuol, Basel oder Interlaken – Jugendherbergen betonen ihre Nachhaltigkeit. Die Jugendherberge Scuol, die 2007 erbaut wurde und anderen Youth Hostels als Nachhaltigkeitsbeispiel diente, erhielt den Hans E. Moppert-Preis für Nachhaltigkeit im Alpentourismus. Die Jugendherberge Basel erhielt eine Auszeichnung für gute Bauten der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft.
Die Preise variieren je nach Tag und Saison, Erwachsene zahlen beispielsweise im August 2022 umgerechnet gut 43 Euro für ein Bett im Sechsbettzimmer und etwas mehr als 116 Euro für das Einzelzimmer. Doppelzimmer kosten dann zwischen 126 und gut 177 Euro.
Authentisch und naturgewaltig
Viele Sterne war gestern. Heute muss es authentisch, einzigartig, naturgewaltig sein. Luxushotels wie das Cervo Mountain Resort, ein Fünfsternehotel in Zermatt mit verspieltem Hippietouch in der Ausstattung, den Farben und dem Design, werben damit. Luxus und Nachhaltigkeitsansätze sind längst kein Widerspruch mehr.
„In einer Bergregion wie Zermatt zuhause zu sein, setzt einen engen Austausch mit der Natur voraus. Das CERVO ist einer Art von Reisen verschrieben, die naturverbunden, authentisch und bewusst funktioniert. Nachhaltigkeit ist dabei der zentrale Faktor, der allen Entscheidungen zugrunde liegt. Im Grossen wie im Kleinen“, heißt es vollmundig auf dem Prospekt.
Cervo ist Gründungsmitglied der Responsible Hotels of Switzerland. Nachhaltigkeit ist die neue Facette im Luxusgütersegment. Ein Qualitätsmerkmal und dort leichter zu realisieren. Ökologisches Engagement ist von der technischen Seite mit hohen Einstiegskosten verbunden. Im Luxussegment erlauben größere Budgets kostenintensivere Maßnahmen: drastische CO2-Einsparungen, autarke Energiegewinnung, regionale Materialien. Immer mehr Nobelherbergen entdecken ihr grünes Gewissen und grüne Zertifikate. Das Cervo Hotel kocht selbstverständlich, wo es geht, mit regionalen Produkten, will Treffpunkt der Einheimischen sein und gibt sich mit dem alten VW-Bus vor dem Eingang hippiesk, verspielt idealistisch.
Zermatt ist seit 2016 Energiestadt, hat sich also zu einer nachhaltigen Energiepolitik verpflichtet. Der Ort ist angenehm autofrei. Die Elektromobile im Dorf fahren ohne Verbrennungsmotor, stoßen keine Abgase aus, werden vor Ort als Unikate produziert und sind zum Inbegriff der dörflichen Mobilität geworden. Das Dorf kann sich dank des Wasserreichtums zu 100 Prozent selbst mit reinem Quellwasser versorgen. Zudem kommen über 80 Prozent des Stroms aus der Wasserkraft, bei den E-Bussen sind es sogar 100 Prozent. Weiter gibt es an diversen Orten Solarenergie-Installationen, unter anderem bei den Zermatt-Bergbahnen oder bei der Monte-Rosa-Hütte.
Photovoltaik an den Stationen
Auch die Bergbahnen werben mit Nachhaltigkeit. Quantitativ werden die Bergbahnen zwar immer weiter ausgebaut. Immer mehr Besucher können auf das Matterhorn befördert werden. Qualitativ setzt man auf nachhaltige technische Innovation. Bei der Gornergrat-Bahn speisen die Züge bei der Talfahrt die Energie zurück ins Netz, was bedeutet, dass von drei talwärts fahrenden Zügen die Energie für zwei bergwärts fahrende Zügen gewonnen wird.
Beim Bau der neuen 3-S-Bahn Matterhorn Glacier Ride II, der die Ganzjahresverbindung zwischen Cervinia in Italien und Zermatt ermöglicht, kommt man komplett ohne Masten aus, der Antrieb der Seilbahn hat einen geringen Wartungsaufwand und benötigt keinerlei Getriebeöl. An der Fassade der neuen Bergstation entsteht eine weitere Photovoltaikanlage. Technisch ganz vorn und energiesparend kurbelt man die Geschäfte hoch oben immer weiter an.
In einem ist die Schweiz aber tatsächlich unschlagbar: Um hier unterwegs zu sein, braucht man kein Auto. Das Land ist bestens erschlossen. Es hat ein ausgeklügeltes Zugsystem. Der öffentliche Verkehr in der Schweiz besitzt eines der weltweit dichtesten Netze. Die Bahn ist dabei das wichtigste Verkehrsmittel. Mehr als 5.300 Kilometer Eisenbahnnetz gibt es in der Schweiz. Dazu kommen Busse, Tram, Bergbahnen und Passagierschiffe, mit denen fast jeder Winkel der Schweiz bequem erreicht werden kann. Und im hinterletzten Winkel nach einer Wanderung wartet garantiert der Postbus.
Wir fahren mit dem Glacier Express vom autofreien Zermatt nach Chur. Es ist der langsamste Schnellzug der Welt und wird regelmäßig in Hochglanzmagazinen als weltweit schönste Eisenbahnstrecke gelobt. Und ja, es lohnt sich, die schwindenden Gletscher, einsamen Täler mit dem Luxuszug zu durchqueren.
Die Pünktlichkeit der Schweizer Bahn liegt laut Statistik übrigens bei 92,6 Prozent, die Anschlusspünktlichkeit sogar bei 99,1 Prozent. Auch gutes Umweltgewissen ist beim Schienenverkehr in der Schweiz inkludiert: Die SBB, das größte Bahnunternehmen des Landes, generiert den Strom für die Züge zu 90 Prozent aus Wasserkraft. Bis 2025 soll der Bahnstrom ganz aus erneuerbaren Quellen stammen.
Klimafonds für Davos 2030
Endstation unserer Reise ist Davos. „2030 will Davos der erste klimaneutrale Ferienort der Schweiz werden. Gäste und Unternehmen speisen dazu gemeinsam den ‚myclimate Klimafonds Davos‘, der Klimaprojekte im Ort unterstützt“, sagt Petra Ruinatscha-Fausch von Davos-Tourismus. Betrieben wird die Initiative von der Destinationsorganisation, der Gemeinde und der Stiftung myclimate. Unternehmen aus dem Tourismus, Veranstalter und das Gewerbe beteiligen sich an der Initiative. Und natürlich ist das weltweit bekannte Davoser Kongresszentrum, wo jedes Jahr im März die Weltwirtschaftsführer zusammenkommen, mit dabei. Berücksichtigung lokaler Lieferanten, umweltfreundliche Müllentsorgung, Solarstrom, keine Klimaanlage, da Kühlung mit Außenluft – das Kongresszentrum ist seit Juni 2020 von Myclimate als klimaneutral zertifiziert.
Finanziert wird die Davoser Nachhaltigkeitsinitiative von den touristischen und gewerblichen Anbietern sowie ihren Gästen und Kund:innen mit freiwilligen Beiträgen. Entscheidet sich ein Gast oder eine Kundin, klimaneutral zu übernachten oder einzukaufen, zahlt er oder sie freiwillig einen Zusatzbeitrag. Das Unternehmen zahlt anschließend denselben Betrag in den Fonds ein. 50 Prozent der so zusammenkommenden Mittel werden in Klimaschutzprojekte in Graubünden, der Schweiz und weltweit investiert. 35 Prozent gehen in Maßnahmen, mit welchen die teilnehmenden Unternehmen ihre Betriebe nachhaltiger machen und 15 Prozent fließen in den neuartigen „myclimate Klimafonds Davos“.
Er finanziert Projekte vor Ort, die CO2-Emissionen reduzieren. „Dieser Klimafonds basiert auf den Grundsätzen des ‚Cause We Care‘-Programms der Stiftung ‚myclimate‘, ermöglicht aber nicht nur touristischen Leistungsträgern mitzumachen, sondern auch indirekten Leistungsträgern wie Handel und Gewerbe“, sagt Petra Ruinatscha-Fausch. Klimaschutz sei gerade für die alpine Wirtschaft zentral. „Die Natur ist die Grundlage unseres Tourismus.“
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