■ Nachgefragt: Tretmine
Das war eine Breitseite gegen die Grünen: Der SPD-Parteitag hat am Samstag beschlossen, daß 49,8 Prozent der Bremer Stadtwerke verkauft werden sollen, an wen, das war den GenossInnen ziemlich egal. Dieser Beschluß steht im krassen Widerspruch zu dem, was die Grünen bei ihrer Mitgliederversammlung vor einigen Wochen verabschiedet hatten: Nicht mehr als 24,9 Prozent, nicht an Atomstromproduzenten und Vorlieferanten – bei gleichzeitiger Koalitionsaussage für rot/grün. Gründe genug für eine Nachfrage beim grünen Spitzenkandidaten und Ex-Umweltsenator Ralf Fücks.
taz: Der SPD-Parteitag hat beschlossen. Was bedeutet das für die Grünen?
Ralf Fücks Damit hat die SPD auch inhaltlich die energiepolitische Koalition mit den Grünen aufgekündigt. Dieser Beschluß ist ja die bisher deutlichste Konsequenz aus dem Zerbrechen der Koalition und der Tatsache, daß das grüne Umwelt- und Energieressort kein Machtfaktor mehr ist. Dieses Vakuum hat Klaus Wedemeier ausgenutzt, weil es die Grünen als Gegengewicht in der Koalition nicht mehr gab, ist auch die SPD umgefallen..
Die Grünen hatten mit ihrem Beschluß versucht, noch einmal Einfluß auf die SPD zu nehmen. Gibt es denn noch Chancen auf ein Zurück?
Offenkundig spekulieren Rathaus und Finanzsenator jetzt auf die Stimmen der CDU, um dieses Paket in der Bürgerschaft zu beschließen. Und sie rechnen mit grüner Opposition. Inhaltlich müßte die CDU eigentlich zustimmen können. Die Frage ist, ob sie den Verzicht auf den Rückkauf der 20 Prozent Stadtwerke-Anteile, die von der Hibeg gehalten werden, als Preis fordert, und wie machiavellistisch sie sich in Wahlkampfzeiten verhält. Aber das Angebot ist klar: große Sanierungskoalition, zumindest in dieser Sache.
Nun hat sich ja zuallererst die SPD ziemlich machiavellistisch verhalten. Die Grünen sind mit einer klaren Koalitionsaussage zugunsten von rot/grün in den Wahlkampf gestartet. Wäre jetzt nicht der Zeitpunkt gekommen, diese Koalitionsaussage zurückzuziehen?
Koalitionsaussagen sind Regierungsoptionen, und leider gibt es angesichts der politischen Landschaft in Bremen derzeit keine Alternative zur SPD, wenn wir das Feld nicht einer großen Koalition oder einer roll-back-Allianz von CDU, AfB und FDP überlassen wollen.
Mit Wedemeier und dieser SPD kann man immer noch Koalitionen eingehen, egal, was sie jetzt beschließen?
Die Grünen haben lernen müssen, daß eine Koalition keine Liebesheirat, sondern ein Zweckbündnis ist. Aber jeder Beschluß, den die SPD jetzt in wichtigen Fragen gegen die Grünen durchsetzt, verdunkelt die rot/grüne Perspektive und wird in Koalitionsverhandlungen einen Preis kosten.
Wäre denn denkbar, einen solchen Beschluß in Koalitionsverhandlungen noch einmal wegzuverhandeln?
Wenn die Bürgerschaft mit Hilfe der CDU ihren Segen gibt, dann sicher nicht. Und wenn ein paraphiertes und gegen das Votum der Grünen vom Senat beschlossenens Verhandlungspaket über die Wahlen weggeschleppt wird, dann wird das zu einer Tretmine erster Güte.
Fragen: J.G.
Foto: Christoph Holzapfel
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