Nachgefragt: Die Not wird groß sein
■ Bildungssenatorin Kahrs zu Konzepten gegen den Mangel an Lehrstellen
In Bremen fehlen 1.600 Ausbildungsplätze. Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) will deshalb zusätzliche Lehrstellen im schulischen, überbetrieblichen Bereich schaffen.
taz: Falls die Unternehmen bis zum Herbst nicht genügend Lehrstellen anbieten, planen Sie weitere Ausbildungsplätze in den Berufsschulen. Wieviele werden das sein?
Bringfriede Kahrs: Ich kann im Augenblick weder die Ausbildungsgänge noch die Zahl der Plätze benennen. Im Moment werben wir verstärkt für weitere Plätze im dualen System. Wir vermuten jedoch, daß im Oktober die Not so groß sein wird, daß wir zu weiteren Mitteln greifen müssen: Dann erst wird es vollschulische berufsqualifizierende Ausbildungsgänge geben. Schon im laufenden Schuljahr haben wir davon 875 Plätze. Desweiteren über 2.000 vorqualifizierende Plätze. Das ist, gemessen an den knapp 6.000 Plätzen im dualen System, eine Riesensumme.
Es wird von 200 zusätzlichen Vollzeitplätzen gemunkelt.
Wir haben in unserer Berufsschullehrer-Einplanung für 300 zusätzliche Plätze vollschulisch geplant. Die könnten wir auch für dieses Modell umwidmen.
Diese schulischen Ausbildungsgänge sollen mit jährlich viermonatigen Betriebspraktika verknüpft sein.
Wir möchten natürlich die Betriebe animieren, die Auszubildenden auf Dauer zu übernehmen. Überwiegend haben wir uns an Betriebe gewendet, die jetzt auch schon gut ausbilden. Wir wollen kein Belohnungssystem für unwillige Betriebe.
Bezahlen die Betriebe ihre Viermonats-Praktikanten?
Das muß noch verabredet werden. Wichtig ist, daß der Auszubildende Qualifikationen erhält, die er in einer rein schulischen Ausbildung nicht erhalten würde.
Sie sprachen dabei auch von Auslandsaufenthalten.
Mein Kollege Ritzel schreibt zur Zeit Schulämter im holländischen Friesland an. Hier ist vielleicht ein Austausch möglich, und wir wollen versuchen, EU-Programme daran zu binden.
Wie finanziert man denn diese 300 neuen Plätze?
Es sind zunächst die Lehrer-Überhangstunden an den Berufsschulen, die wir einplanen müssen. Die haben wir dank der Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung. Wir brauchen keine neuen Lehrer einzustellen.
Die Zahl der schulischen Ausbildungsplätze nähert sich der Zahl der Lehrstellen im dualen System an. Muß sich Bremen vom dualen System verabschieden?
Wir müssen alles tun, es zu retten. Hier und da müssen wir es modernisieren. Und natürlich muß man immer wieder an die Verantwortlichkeit der Wirtschaft appellieren. Fragen: ritz
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