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NachgefragtWeibchen, oder was?

■ Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum: Alles über das Umweltgift Tributylzinn

Der Hamburger Burkhard Watermann erforscht seit langem an Küsten und im offenen Meer die Verbreitung und Wirkung von Tributylzinn (TBT). Sein Institut LimnoMar lieferte mit die grundlegenden Erkenntnisse für das erklärte Ziel des Bundesumweltamtes in Berlin, TBT weltweit ächten zu lassen.

taz:Was ist TBT?

Burkhard Watermann: TBT ist eine höchstgiftige chemische Zinnverbindung, die ursprünglich zur Pilzbekämpfung erfunden und eingesetzt wurde. Heute befindet sich TBT in Farben, um etwa den Bewuchs an Schiffsböden zu verhindern.

Wie wirkt das Gift?

Es unterbricht die Atmungskette einer Zelle, der Organismus stirbt ab. Es wirkt in kleinsten Mengen.

Wen erwischt es zuerst?

Zuerst setzen sich beispielsweise Seepocken nicht an Schiffen fest. Nach fünf, sechs Jahren des Einsatzes von TBT reagierten Meeresschnecken auf kleinste Giftemengen. Sie zeigten Erscheinungen der Vermännlichung.

Wie nehmen die Schnecken das Gift auf?

Jeder TBT-Anstrich wirkt nur, wenn permanent Gift aus dem Anstrich gelöst wird. TBT-Verbindungen werden nicht rasch abgebaut, es gibt einen regelmäßigen Eintrag von TBT in das Wasser und es gibt Ablagerungen in Hafen- und Meeresböden. Über das Wasser und die Nahrung nehmen die Meeresorganismen TBT auf.

Wer wird noch geschädigt?

Bei höheren Konzentrationen wird das Immunsystem von Fischen geschwächt, bei Austern deformiert sich die Schale.

Kann TBT in den Kreislauf von Menschen gelangen?

TBT reichert sich im Fett der Meerestiere an, das bedeutet, daß es in der Nahrungskette höherer Organismen eine Rolle spielt. Zur Zeit wird untersucht, ob Menstruationstörungen bei Frauen auf hormonell wirkende Umweltgifte zurückzuführen sind.

Wie schätzen Sie die TBT-Belastung in der Nordsee ein?

Entlang der deutschen Nordseeküste sind in Hafenregionen die Gewässer und Sedimente so stark mit TBT belastet, daß es zu Effekten an Meersorganismenkommt. Außerdem gibt es flächendeckende Grundbelastung.

Messungen der chemischen Industrie zeigen, daß vor Bremerhaven mehr TBT zu finden ist als vor Rotterdam.

Das ist bisher nicht geklärt worden. Die Schiffe vor Rotterdam sind die gleichen wie vor Bremerhaven. In Bremerhaven müßte eine zusätzliche Eintragsquelle von TBT sein.

Schiffahrt ist wichtiger, wirtschaftlicher Faktor. Sind da ein paar kaputte Schnecken nicht zu verkraften?

TBT ruiniert andere Branchen. Austernkulturen an den europäischen, amerikanischen und japanischen Küste hatten Ende der 70er Jahre durch TBT Millionenverluste erlitten. Bei den Schnecken handelt es sich weniger um kommerziell genutzte Arten, obwohl die Franzosen sie essen. Das Paradoxe ist, daß vor allem die nordische Purpurschnecke in Nordsee und Atlantik betroffen ist. Diese Schnecke ist der natürliche Feind der Seepocke, die wiederum mit TBT bekämpft wird. Dann die Wattschnecke: Sie frißt Mikroalgen vom Wattboden. Es wird untersucht, ob die giftige Algenblüte im Watt mit der Abnahme der Wattschnecke zusammenhängt. Wenn das so ist, dann hat eine kleine Schnecke, die unbemerkt verschwindet, doch einen drastischen Effekt. Fragen: T. Schumacher

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