Nachgefragt: Nicht im Visier
■ Bremer Verfassungsschützer: Keine Sorge vor Mitläufer-Aktionen
Bremens stellvertretender Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, Lothar Jachmann, war in Berlin vor Jahren einmal zuständig für die Abteilung „Terrorismus“, kennt sich also aus mit dem „gewöhnlichen“ deutschen und arabischen Terrorismus.
Dass solche Gruppen die koordinierten Anschläge in den USA technisch und logistisch hätten organisieren können, „das würde ich ausschließen“, sagt Jachmann. Denn wer dieses Niveau von Gewalt umsetzen wolle, sagt der Bremer VS-Mann, benötige im Hintergrund eine „Struktur mit Geheimdienst-Charakter“. Das müsse nicht unbedingt ein formeller Geheimdienst wie der des Irak sein, über „geheimdienstähnliche Strukturen“ verfüge auch der saudische Millionär Osama bin Laden. Der sei auch „die erste Adresse“, wenn man sich frage, wem eine derartige Tat zuzutrauen sei.
Bin Ladens „al Qu'ida“-Netzwerk hat etwa 5.000 Mitglieder, die in afghanischen Lagern ausgebildet wurden und dann unauffällig in ihren jeweiligen Staaten leben – bis sie für einen Anschlag mobilisiert werden. Diese Struktur mache das Beobachten auch so schwer, sagt Jachmann: Im Bremer Raum gab es einmal einen Verdacht auf einen Laden-Anhänger, der habe sich aber nicht erhärten lassen.
Ende vergangenen Jahres hob die Polizei in Frankfurt am Main ein Waffen- und Sprengstofflager aus und nahm zwei Irakis, einen Algerier und einen Franzosen algerischer Herkunft fest. Sie stehen im Verdacht, von bin Laden ausgebildete „Gotteskrieger“ (Mudjahidin) zu sein und einen Sprengstoff-Anschlag in Straßburg geplant zu haben.
Nach der Finanzkrise in Ostasien verlegte bin Laden das Finanz-Zentrum seines Imperiums nach Luxemburg. Typisch für bin Laden ist nicht nur, dass es keine Bekenner-Erklärungen gibt. Typisch sind auch „Parallel-Aktionen“. Ob die Überprüfung der Passagierlisten der entführten Flugzeuge konkretere Hinweise ergeben hat, ist noch Geheimnis des amerikanischen FBI.
Laden, der maßgeblich im afghanischen Krieg engagiert war, hat sich einmal als derjenige gefeiert, dem es gelungen sei, eine Supermacht zu verjagen. Ihm ist in seiner Hybris, davon ist der Bremer VS-Mann überzeugt, ein derartiger Angriff auf die USA zuzutrauen.
Für Bremen hat der Verfassungsschutz keine besonderen Sorgen. „Tatsächlich zielt gar nichts auf Deutschland“, sagt Jachmann. Er geht nicht davon aus, dass die derzeitige gespannte Situation Mitläufer oder Nachahmer produziert.
Alles warte gebannt, wie die USA reagieren. Bei den Solidaritäts-Bekundungen der Bundesregierung scheint mittlerweile die Sorge mitzuschwingen, dass Vergeltungsschläge in dieser Situation antiamerikanische Reflexe mobilisieren könnten. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) warnte ausdrücklich davor, dass ein solcher Schlag neue Gefahrensituationen bringen könnte. K.W.
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